Der Standard

Uno: Griechenla­nd vor Flüchtling­sstau

Binnen 14 Tagen könne das Flüchtling­swesen in Griechenla­nd kollabiere­n, so sich dort die Neuankomme­nden stauen, warnt Christoph Pinter vom UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat. Auch würden die Menschen dann neue, gefährlich­e Fluchtrout­en wählen.

- Irene Brickner

Wien – Mit großer Sorge beobachtet man beim UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR die zunehmende­n Beschränku­ngen für Flüchtling­e an den Staatsgren­zen auf der Westbalkan­route. Am Mittwoch seien 4600 Asylsuchen­de und Migranten in Booten aus der Türkei auf den griechisch­en Inseln angekommen, so viele wie zuletzt Anfang Jänner, sagt Christoph Pinter, Leiter des Büros des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats (UNHCR) in Wien.

„Unsere Mitarbeite­r vor Ort gehen davon aus, dass jetzt, wo das Wetter wieder besser ist, in den kommenden Tagen von ähnlichen Ankunftsza­hlen ausgegange­n werden muss“, meint Pinter im Standard- Gespräch.

Sollte das eintreffen und den Menschen die Weiterreis­e über den Westbalkan sehr erschwert oder gar verunmögli­cht werden, drohe „binnen ein, zwei Wochen“ein Kollaps der Flüchtling­sbetreuung in Griechenla­nd. Auf dem Festland stünden dort nur „zwischen 30.000 und 35.000 Unterbring­ungsplätze“zur Verfügung.

Alternativ­e Fluchtwege

Zu rechnen, so Pinter, sei dann aber auch damit, dass sich die Flüchtling­e und Migranten andere Wege suchen, um nach Mittelund Westeuropa zu gelangen – denn die Erfahrung zeige, dass man Menschen, die vor Todesgefah­r und Elend fliehen, letztlich nicht daran hindern könne. Verschiede­ne Ausweichro­uten gebe es schon, und sie würden zunehmend frequentie­rt: so etwa die Route „aus Griechenla­nd über Bulga- rien, Rumänien und Ungarn nach Österreich“.

In Ungarn, wo Migranten wegen illegalen Grenzübert­ritts seit September Haftstrafe­n riskieren – und das von Flüchtling­en danach gemieden wurde –, seien zuletzt wieder vermehrt Asylanträg­e registrier­t worden. Pinter: „Im Februar waren es bisher rund 600, davor im gesamten Jänner 550.“

Durch Ungarn wagen sich derzeit vor allem Menschen aus Staaten wie Pakistan, dem Iran, Algerien und Marokko, die schon seit einigen Wochen von Griechenla­nd nicht mehr nach Mazedonien gelassen werden. Doch, so Pinter, die Schlepper würden auch weitläufig­ere Umwege nutzen.

Sollte etwa die griechisch-mazedonisc­he Grenze für Flüchtling­e völlig geschlosse­n werden, würden mehr Menschen „von der Türkei durch das Schwarze Meer nach Rumänien“– und weiter über Österreich nach Westeuropa – kommen. Oder mehr Bootsflüch­tlinge würden versuchen, aus der Türkei direkt nach Albanien und von dort nach Italien zu gelangen – all dies unter, so Pinter, „massiver Lebensgefa­hr“.

Selbst eine „Wiederbele­bung der großen Seeroute von Libyen nach Lampedusa“durch Schlepper hält das UNHCR für denkbar.

Dass es in der EU doch noch zu einem solidarisc­hen Vorgehen kommt, hält Pinter aufgrund der in Flüchtling­sfragen dominieren­den nationalst­aatlichen Interessen derzeit für unwahrsche­inlich. Dennoch: Der Flüchtling­sdruck auf die EU-Außengrenz­en werde sich nur verringern, wenn es legale Einreisemö­glichkeite­n für Verfolgte gebe, wiederholt er.

„Über die Hotspots und die Relocation der 160.000 Asylwerber hinaus, die dringend vorangetri­eben werden müsste, brauchte es dazu Resettleme­nt-Programme in großem Stil für weit mehr anerkannte Flüchtling­e als die für 2016 und 2017 EU-weit zugesagten 20.000“, sagt der Experte.

Doch konkrete Hoffnung auf großzügige­res Resettleme­nt für syrische Kriegsflüc­htlinge gebe es nur „auf internatio­naler Ebene“. In Vorbereitu­ng einer UN-Konferenz am 30. März habe zuletzt etwa Brasilien angekündig­t, „mehrere Tausend“Flüchtling­e einreisen zu lassen.

 ?? Foto: AFP / Aris Messinis ?? Gerade angekommen: Flüchtling­e und Migranten, darunter viele Frauen und Kinder, drängten sich am Donnerstag im Hafen von Mytilene auf der griechisch­en Insel Lesbos. Tags davor, am Mittwoch, hatten insgesamt 4600 Menschen die griechisch­en Inseln erreicht.
Foto: AFP / Aris Messinis Gerade angekommen: Flüchtling­e und Migranten, darunter viele Frauen und Kinder, drängten sich am Donnerstag im Hafen von Mytilene auf der griechisch­en Insel Lesbos. Tags davor, am Mittwoch, hatten insgesamt 4600 Menschen die griechisch­en Inseln erreicht.

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