Der Standard

China will sich den Ärger nicht anmerken lassen

Das Schiedsger­icht in Den Haag hat einer Klage der Philippine­n im Streit um Gebiete im Südchinesi­schen Meer Recht gegeben. Für Peking ist das ein Rückschlag. Offiziell reagierte Chinas Führung kühl, Staatsmedi­en zeigten Militärübu­ngen im umstritten­en Gebi

- Johnny Erling aus Peking

EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk ließ sich zum Auftakt des EU-China-Gipfels nicht vorschreib­en, was er sagen darf und was nicht. In der Großen Halle des Volkes verzichtet­e er auf alle protokolla­rischen Floskeln. In seiner kurzen Antwort auf die Begrüßung durch Chinas Premier Li Keqiang, bei der auch Journalist­en wenige Minuten zuhören durften, kam er sofort auf das Reizthema Südchinesi­sches Meer zu sprechen.

„Wir werden gleich das Ergebnis in einem wichtigen Verfahren erfahren“, sagte Tusk zwei Stunden vor Bekanntgab­e des brisanten Schiedsspr­uchs in Den Haag. Die Kommission für das UN-Seerechtsa­bkommen am Ständigen Schiedshof gab später der 3000 Seiten starken Klage der Philippi- nen gegen Chinas Anspruch auf den Besitz des gesamten Südchinesi­schen Meeres statt.

In 479 Seiten Begründung sprachen die Juristen unter anderem der chinesisch­en Nine-Dash-Line („Neun-Punkte-Linie“), auf die sich China beruft, jede historisch­e Berechtigu­ng ab, nach dem Seerecht als Grenze für Hoheitsans­prüche dienen zu können.

Chinas Regierung hatte das Verfahren immer als illegal abgelehnt und erst recht nicht gewollt, dass die EU dazu Stellung nimmt. Peking hatte deshalb eine geplante Pressekonf­erenz mit der EU zeitlich gegenüber dem Urteil vorverlegt. Am Dienstag strich es die PK dann ganz, nur um zu verhindern, dass Fragen zum Urteil gestellt werden könnten.

Premier Li pries dennoch die Zusammenar­beit mit der EU als „positives Signal“in schwierige­n Zeiten und ließ sich Ärger nicht anmerken. Auch nicht, als Tusk sagte, dass es zu den guten Beziehunge­n der EU mit China gehöre, Fragen der „Menschenre­chte, der Presse-, Meinungs- und Versammlun­gsfreiheit und des Schutzes der Minderheit­en anzusprech­en“.

„Farce im Gewand des Rechts“

Chinas Regierung hatte am Dienstag erst einmal mit den weitreiche­nden Folgen des Urteils zu tun, das sie offiziell so gerne ignoriert hätte. Die aus dem Umkreis der Regierung kommenden Medien verdammten den Spruch der Kommission schon vorab als „null und nichtig“. Nach seiner Verkündung nannte das Außenminis­terium den Schiedsspr­uch „unwirksam“und „nicht bindend“. Es werde ihn weder „annehmen noch anerkennen“. Peking will nun einfach so weitermach­en wie bisher. Außenminis­ter Wang Yi warf dem Gerichtsho­f in Den Haag eine „politische Farce im Gewand der Rechtsprec­hung“vor. „Jetzt, wo es vorbei ist, kann wieder die Zeit für einen korrekten Weg zur Lösung kommen.“China meint damit, mit den Philippine­n wieder ohne Einwirkung von außen bilateral zu verhandeln, so wie Peking es auch sonst bevorzugt, mit den Staaten in der Region einzeln zu sprechen.

Am Vortag hatte die Medienbeau­ftragte des Volkskongr­esses Fu Ying gewarnt: Das Urteil „wird nur die Spannungen in der Region verstärken und Frieden und Stabilität untergrabe­n“.

Peking demonstrie­rte, dass man auf alle Optionen vorbereite­t ist. Ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums erinnerte an die erfolgreic­hen einwöchige­n Kriegsmanö­ver der Marine und Luftwaffe bei den Paracel-Inseln (chinesisch: Xisha) vor der Urteilsspr­echung in Den Haag. Das Staatsfern­sehen CCTV zeigte Dienstagab­end Probelandu­ngen und -starts, mit denen zwei neue Flugplätze auf den Meiji- und Zhubi-Riffen getestet wurden, den größten der sieben künstlich aufgeschüt­teten Inseln im Spratly-Gebiet sisch: Nansha).

Die nationalen Fernsehnac­hrichten am Abend brachten allerdings nicht Chinas nationale Wut über den Schiedsspr­uch als ihre erste Meldung, sondern begannen mit einem die Emotionen abwiegelnd­en langen Bericht über den Abendempfa­ng der Brüsseler EUFührung durch Staatschef Xi Jinping. Xi lobte den Stand der Beziehunge­n, China wünsche sich ein stabiles Europa und ein ebenso blühendes Großbritan­nien.

Es wolle nicht nur die Wirtschaft­sbeziehung­en mit der EU intensivie­ren, sondern auch internatio­nal etwa beim G20-Gipfel zusammenar­beiten, sagte er.

Beim Schiedsspr­uch aber, sagte Xi den Europäern, gebe es kein Entgegenko­mmen: Sein Land werde keinen Vorschlag annehmen, oder Handlungen akzeptiere­n, die auf dem Urteil von Den Haag aufbauen. Chinas territoria­le Souveränit­ätsansprüc­he und maritime Interessen würden von dem Urteil nicht berührt: „Gleich unter welchen Umständen auch immer.“ (chine-

 ??  ?? Chinesisch­e Soldaten auf den Spratly-Inseln. Peking wollte sich am Dienstag zum Urteil zwar allenfalls abwiegelnd äußern, vor dem Spruch des Gerichts ließ Chinas Führung aber schon Manöver durchführe­n.
Chinesisch­e Soldaten auf den Spratly-Inseln. Peking wollte sich am Dienstag zum Urteil zwar allenfalls abwiegelnd äußern, vor dem Spruch des Gerichts ließ Chinas Führung aber schon Manöver durchführe­n.

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