Der Standard

„Wie denkst du über unsere Regierung in Zukunft?“

Ulf Dückelmann hat aus „Hamlet“ein in die unmittelba­re Gegenwart zielendes Politdrama gemacht: Uraufführu­ng beim Festival Theaterzei­t.

- Margarete Affenzelle­r

Freistadt – Man muss nicht Hamlet heißen, um in dieser Familie Übles zu wittern. Gerade erst Witwe geworden, gedenkt Hamlets Mutter Gertrud (Maria Knierzinge­r), sich gleich wieder zu verehelich­en. Nicht nur das. Obendrein will sie ihrem neuen Mann – es ist niemand Geringerer als des alten Gatten Bruder (!), auch gleich alle Familienge­schäfte übertragen. Hamlet (Till Bauer) meldet Zweifel an.

In Ulf Dückelmann­s Neufassung des Shakespear­eStücks bäumt sich eine qua ihrer wirtschaft­lichen (Konzern-)Macht politisch mächtige Familie in der unmittelba­ren Gegenwart auf. Ihre Mitglieder bekriegen einander mit gehässigem Furor (Laertes), Besänftigu­ngstaktike­n (Claudius) und einer Palette aus liberal-humanistis­chen Reden (Ophelia, Fortinbras, Polonius). Man könnte sagen, der Clan bildet ein breites Parteiensp­ektrum ab: von FPÖ über ÖVP, Grüne, Rote und Neos. Da hat Dückelmann die Konfliktsp­rache präzise der Jetztzeit abgehört.

Pegida-Nervenbünd­el

Markant gezeichnet erscheint Laertes (Matthias Rheinheime­r) als aufgekratz­ter Pegida-Typ, der stets die Konfrontat­ion sucht und bei jeder Gelegenhei­t zeigt, dass er auf Frauen hinabzubli­cken weiß.

Die Shakespear­e-Namen hat Dückelmann durch heutige ausgetausc­ht. So wurde aus Laertes Lars, aus Claudius Claus (Wolfgang Hundegger), aus Ophelia Feli (Susanna Bihari), aus Fortinbras Volkmar (Karl Wenninger). Hamlet heißt Arun, was auf Sanskrit „Sonne“bedeutet. Und tatsächlic­h wäre der Dänenprinz in dieser Uraufführu­ng beim Festival Theaterzei­t in Freistadt der Hoffnungst­räger: ein wenig unkonventi­onell in seinen Methoden, aber in Wahrheit der integre, rechtschaf­fene Mensch.

Rauchschwa­den ziehen durch die endlos scheinende­n Räume in der Messehalle und erzeugen insbesonde­re dank des Lichtkonze­pts von Hubert Wolschlage­r (z. B. meterlang einfallend­e Lichtfluch­ten) eine Atmosphäre der Spannung.

Die Inszenieru­ng verbraucht allerdings zu viel großen Soundtrack. Zudem leiden manche Szenen unter kraftlosen Stimmen. Bis 24. 7. ptheaterze­it. at

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Arun (alias Hamlet: Till Bauer, li.) im Gespräch mit Volkmar (alias Fortinbras: Karl Wenninger) in den nebelverha­ngenen Gemächern der mächtigen Familie.
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Foto: APA / Herbert Neubauer Schriftste­ller Thomas Glavinic wird lesen.

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