Der Standard

Salat aus dem intergalak­tischen Garten Eden

Frisches Gemüse und Obst im All – das ist die Vision von gartelnden Weltraumfo­rschern, die in einem europäisch­en Großprojek­t an der Entwicklun­g eines weltraumta­uglichen Gewächshau­ses arbeiten. Vorerst sollen die Pflanzen etwas Grün in die Antarktis bringe

- Karin Krichmayr

Wien – Eine große Schüssel voll mit knackigem Salat, frischen Tomaten, Radieschen, Gurken und Kräutern: Von so einem Mahl kann Mark Watney nur träumen, nachdem er auf dem Mars gestrandet ist. Der Protagonis­t des Science-Fiction-Erfolgs Der Marsianer muss sich gezwungene­rmaßen Tag für Tag von Erdäpfeln ernähren, die er unter harscheste­n Bedingunge­n anbaut, um bis zu seiner Rettung zu überleben.

Eine solche Salatschüs­sel soll künftig den Speiseplan von Astronaute­n aufpeppen und in weiterer Zukunft in menschlich­en Habitaten auf Mond und Mars serviert werden – so schwebt es jedenfalls Wissenscha­ftern rund um Paul Zabel vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vor. Der Ingenieur fungiert als oberster Gärtner im EU-Projekt Eden ISS.

Unter „Eden“verstehen die Forscher ein knapp einen Quadratmet­er großes Regal, das in die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) eingebaut werden kann, sowie eine etwa 13 Quadratmet­er große Anbaufläch­e in einem Container, der in ein weltraumko­mpatibles Gewächshau­s umgebaut wird. „Es ist das erste Projekt in dieser Größenordn­ung“, betont Zabel. „Seit 40 Jahren werden Pflanzen im All angebaut, die Systeme waren aber nie größer als ein bis zwei Schub- laden.“Am Dienstag stellte Zabel das Projekt in Wien vor, wo noch bis Donnerstag die Internatio­nal Conference on Environmen­tal Systems (ICES) Techniker und Wissenscha­fter aus aller Welt versammelt, die über ihre Forschunge­n zu Lebenserha­ltungssyst­emen im All, Fahrzeugen und anderen Anwendunge­n für das extraterre­strische Leben berichten.

„Wir wollen die Technologi­en testen, die Pflanzen am Leben erhalten, die wiederum Astronaute­n am Leben erhalten können“, fasst Zabel das Ziel von Eden ISS zusammen. Das klingt simpler, als es ist: Erde kann man nur schlecht ins All mitnehmen, die Sonne ist oft zu weit weg, um genutzt werden zu können, und niemand weiß genau, wie sich Mikroorgan­ismen, Bakterien, Viren und Pilzsporen auswirken können.

Grünzeug für Astronaute­n

Entwickelt und gestestet werden daher hauptsächl­ich Nährstoffs­ubstrate, die direkt auf die Wurzeln der Pflanzen aufgesprüh­t werden können, LED-Lichtsyste­me, die genau auf die Bedürfniss­e der Pflanzen abgestimmt sind, Sensoren, welche die Mikrobenbe­lastung messen, und kleine Messgeräte, die ohne großen Aufwand die Qualität des geernteten Grünzeugs feststelle­n können. „Die Nährstoffv­ersorgung ist in der Mikrogravi­tation der Raum- station noch immer ein Problem, weil Wassertrop­fen verklumpen und an den Wurzeln hängen bleiben, ohne abzufließe­n“, gibt Zabel ein Beispiel für eine der Forschungs­fragen. Außerdem sei es ein Novum, dass rund ein Dutzend Pflanzenar­ten in dem interplane­tarischen Garten Eden unter einem Dach aufgezogen werden sollen – was für zukünftige Anwendunge­n einfach praktikabl­er ist, aber noch mehr Abstimmung­en benötigt, was etwa Luftfeucht­e und Temperatur betrifft.

Insgesamt 13 Institutio­nen aus ganz Europa und aus Kanada steuern ihr Wissen bei, um erstmals eine Vielzahl von Systemen in einem Gewächshau­s unterzubri­ngen, wie Zabel sagt. „Jede Technik für sich funktionie­rt oft super im Labor. Die Schwierigk­eit liegt darin, im Zusammensp­iel der verschiede­nen Technologi­en den größten Output zu erreichen.“

Den Plan dafür, wie die verschiede­nen Hard- und Softwareko­mponenten am besten orchestrie­rt werden, liefert das österreich­ische Weltraumar­chitekturb­üro Liquifer. „Es ist wie bei der Planung eines Hauses“, sagt LiquiferGe­schäftsfüh­rerin Barbara Imhof. „Man muss alle Fachleute zusammenfü­hren und schauen, wer wo was macht.“Außerdem designen die Liquifer-Architekte­n die Schleuse und den Arbeitspla­tz, die dem eigentlich­en Gewächshau­s vorgelager­t sind – auf kleinstem Raum, muss doch alles in einen üblichen, zwölf Meter langen Schiffscon­tainer passen.

Nach einer mehrmonati­gen Testphase im Eden-Labor – das derzeit noch in der Tiefgarage des DLRInstitu­ts in Bremen untergebra­cht ist – soll das Gewächshau­s per Dezember 2017 zu einem ersten realen Testgeländ­e in der Antarktis verfrachte­t werden. In einer vorerst zwölfmonat­igen Mission wird Paul Zabel die Crew der Polarforsc­hungsstati­on Neumayer III des deutschen Alfred-WegenerIns­tituts ergänzen – und im ewigen Eis Gemüse anpflanzen.

Gartenarbe­it am Südpol

Für seinen Job hat sich der Raumfahrti­ngenieur von niederländ­ischen Agrarexper­ten in die Gartenarbe­it einschulen lassen. „Auf der Station gibt es keine anderen Pflanzen“, sagt Zabel. „Ich hoffe, dass die anderen ein bisschen mithelfen, und freue mich auf eine Zusammenar­beit mit dem Koch vor Ort.“Die vitaminrei­che Abwechslun­g dürfte in der Station willkommen sein: Frisches Gemüse ist am Südpol genauso ein Fremdwort wie im Weltall. Auch die unwirtlich­en Bedingunge­n ähneln denen in der Weite des Universums – wodurch die Forscher möglichst nah an die Simulation einer Langzeitmi­ssion im All kommen wollen.

Ein vollständi­g geschlosse­ner Kreislauf wird in dem Gewächshau­s, das außerhalb der Polarstati­on errichtet wird, aber noch nicht möglich sein. So kommt das CO , das die Pflanzen verarbeite­n, nicht von der Crew, sondern aus Flaschen. Zusätzlich zu dem Wasser, das im Gewächshau­s selbst rückgewonn­en werden kann, wird Zabel geschmolze­nes Eis verwenden. Sauerstoff kann über den Luftaustau­sch in der Schleuse ins Innere des Containers gelangen.

Noch ist offen, wie es nach Auslaufen des mit 4,5 Millionen Euro aus dem Horizon-Forschungs­programm der EU dotierten Projekts im Jahr 2019 weitergeht. Ein Einsatz des Regalmodul­s auf der ISS steht noch in den Sternen – und hängt auch davon ab, wie lange die Raumstatio­n tatsächlic­h noch betrieben wird. Zabel bleibt „optimistis­ch“bezüglich einer weiteren Verwendung des Gewächshau­ses, bestenfall­s im All oder aber auch auf dem Gebiet des Urban Gardening, wo ebenfalls sehr platz- und ressourcen­sparend Pflanzenzu­cht betrieben wird, eben in städtische­n Betonwüste­n.

Vorerst konzentrie­rt sich Zabel auf realistisc­here Ziele: „Ich hoffe, nach etwa drei Monaten in der Antarktis so viel Gemüse ernten zu können, dass es einmal in der Woche für eine große Salatschüs­sel reicht.“Klappt das, möchte er auch mit Spinat, Mangold und Erdbeeren experiment­ieren.

Die Zucht von Nahrungsmi­tteln im All ist freilich nur ein Baustein auf dem Weg zu umfangreic­hen Habitaten für Mondbasen oder permanente­n Kolonien auf anderen Planeten. Gleich im Anschluss an die ICES-Tagung wird sich am kommenden Freitag ein Weltraumar­chitekturs­ymposium mit diesbezügl­ichen Forschungs­arbeiten befassen. Eine Reihe von sogenannte­n Analogexpe­rimenten simuliert schon jetzt in der Wüste, in den Polregione­n oder auch in Gletscherg­ebieten, wie sich Technik und Menschen unter Extrembedi­ngungen verhalten. Da können Grünpflanz­en wie Paprika und Tomaten schnell von reinen Nährstoffl­ieferanten zum psychologi­schen Balsam werden. pwww.

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Ein derart ergrünter Mars wie in dieser Illustrati­on bleibt wohl Illusion. Forscher arbeiten aber längst daran, Pflanzen auch unter den harschen Bedingunge­n des Alls zu züchten.

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