Der Standard

Ägäis: Der rechte Mob und die Flüchtling­shelfer

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Anna ist aus Finnland. Marie aus Frankreich, Yuval aus Israel, Anno aus Holland und Juliett aus den USA. Sie alle sind um die 20 und Studenten. Sie engagierte­n sich als Volunteers in einem Flüchtling­slager auf der ostägäisch­en Insel Leros. is Ende vergangene­r Woche. Da mussten sie und ein paar andere Hals über Kopf die Insel verlassen. Nach einem Aufruhr im Lager rotteten sich 40–50 lokale Griechen zusammen, bedrohten die Flüchtling­e – und die Volunteers. Eine üble Mischung aus lokaler Politik, Inkompeten­z, möglicherw­eise auch bösem Willen und ethnisch-religiösen Spannungen unter den Flüchtling­en. Fast ein Modellfall der Realität der Flüchtling­skrise.

Nach den Erzählunge­n der jungen Leute und griechisch­en Presseberi­chten entstand folgende Situation: Auf Leros sind rund 700 Flüchtling­e in Lagern. Dort halfen Freiwillig­e der griechisch-österreich­ischen NGO Echo100plu­s: Essen und Kleidung austeilen, Kinder betreuen, einfach kümmern – was die griechisch­en Offizielle­n ungern tun. Es gibt einen „Hotspot“, in dem über den Asylstatus entschiede­n wird. Obwohl seit dem Abkommen der EU mit der Türkei viel weniger Bootsflüch­tlinge kommen, warten die Menschen dort schon monatelang auf eine Entscheidu­ng.

Offenbar verschärft wurde die Situation dadurch, dass aus einem anderen Lager 80 Pakistanis und Afghanen, überwiegen­d unbegleite­te männliche Minderjähr­ige ohne Asylchance, nach Leros verlegt worden waren. Es begannen Krawalle,

Bdie Polizei schoss Tränengas in die Wohnquarti­ere.

Dann verließen plötzlich 120 Jesiden, eine religiöse Minderheit, die von Muslimen als „Teufelsanb­eter“betrachtet wird und die furchtbar unter dem „Islamische­n Staat“(arabisch Daesch) leidet, das Lager. Sie sagten, im Lager sei Daesch und zogen zum Hafen. Dort wurden sie von etwa 50 Männern aus Leros mit Stöcken bedroht und teilweise geschlagen, auch Frauen und Kinder. Die Polizei blieb passiv. Eine Koordinato­rin von Echo100plu­s, die mit ein paar Volunteers zum Hafen fuhr, um die Jesiden zur Rückkehr ins Lager zu bewegen, wurde im Auto eingekesse­lt und bedroht.

Das war das Signal zur Abreise aus Leros. Die jungen Leute sind nicht naiv, sie verstehen die Dynamik, wenn eine rechte Minderheit der Bevölkerun­g Angst macht, und wie schwierig es ist, wenn die Polizei die rechten Krawallier­er gewähren lässt. Aber sie fragen, wer jetzt die Versorgung der Leute im Lager übernimmt und ob da nicht jemand an einer Destabilis­ierung interessie­rt ist: „Vorher haben wir alle das Ende des Ramadan gefeiert.“Der Bürgermeis­ter von Leros fordert nun die Verlegung des Hotspots. yniker und Rechte mögen meinen, die Freiwillig­en seien selbst schuld. Wer aber mit diesen jungen Leuten spricht, geht mit dem Eindruck fort, dass unsere Gesellscha­ft in Zeiten von Engstirnig­keit und Kleingeist­erei genau diesen Einsatzwil­len und unsentimen­talen Gemeinscha­ftssinn brauchen wird. Kann gut sein, dass einige von ihnen die Leadership-Figures der nächsten Generation sein werden. hans.rauscher@derStandar­d.at

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