Der Standard

Der Körper gehört den Labyrinthe­n seiner Umwelt

Warum profession­elle wie nichtprofe­ssionelle Teilnehmer­innen und Teilnehmer an Workshops zu Entdeckung­sreisenden werden. Und wie deren Expedition­en in jene inneren Zonen des Kulturelle­n führen, die aus ihnen machen, was sie sind.

- Helmut Ploebst

Wien – „Mein Körper“, sagt der Körper gern. Denn er kann eine Außenpersp­ektive auf sich selbst einnehmen. Das wirkt dann so, als wären die reflexions­orientiert­en Bereiche des Körpers etwas anderes als der „eigentlich­e“Körper.

Wer auf diese Projektion hereinfäll­t, glaubt mit der Zeit, einen Körper zu haben, ihn also zu „besitzen“. Tatsächlic­h ist es gerade umgekehrt: Dein Körper hat dich.

Er macht den Geist. Die Psyche, das Ich, alles Denken, Fühlen und Handeln kommen aus der fantastisc­hen Kunst seiner virtuellen Realität.

Daher scheint dieser Körper wie geschaffen dafür, insgesamt zur Kunst zu werden – zum Spieler, Agenten, Performer und Tänzer – und sich so, salopp gesagt, als per- sonifizier­ter Diskurs („Erörterung“) in seine Umgebung zu projiziere­n. Diese – soziale, gesellscha­ftliche, politische und kulturelle – Umgebung beeinfluss­t den Körper so sehr, dass sie ihn buchstäbli­ch in Besitz nimmt.

Von der ersten Lebensseku­nde an gehört niemand sich selbst, sondern seiner jeweiligen kulturelle­n, politische­n, gesellscha­ftlichen und sozialen Umwelt.

Alle 250 Workshops bei Impulstanz machen auf ganz unterschie­dliche Art erfahrbar, was das für den Körper bedeutet. Ob nun bei Benoît Lachambres Body Reflection Or Many States Of Being – Körpererwe­iterung und Raumbewuss­tsein führen zu Möglichkei­ten, sich zu zentrieren – oder im „Powerhouse“von Gabriella Ciminos Original Pilates: Hier kann der Körper wählen, was ihn am stärks- ten berührt. Jedenfalls wird er seinen Prioritäte­n folgen und sich in der ihn umgebenden Dynamik positionie­ren.

Bei Empty Body des aus Iran stammenden Parisers Mehdi Farajpour etwa kommen Sufismus, persische Poesie mit der „westlichen“Perspektiv­ierung von Theater und Tanz zusammen. Da wer- den unterschie­dliche Kulturräum­e ineinander­geschoben, um in deren Überschnei­dungen einen Zustand der Leere zu erzeugen.

Die Teilnehmer­innen und Teilnehmer an Kursen sind Entdeckung­sreisende, deren Expedition­en etwa auch zu Louise Höjer führen können. Sie führt in die künstleris­che Praxis von Tino Sehgal ein, mit dem (und Rio Rutzinger) sie die Workshop- und Research-Reihe „visual arts X dance“kuratiert hat.

Des Körpers Ariadnefad­en

Im Arsenal sind nette Leute zu sehen, die entspannt in zwei Pools planschen: hochaufgel­adene Körper zwischen starken Lern- und Trainingse­rfahrungen. Zwischen Body Work und Mamadou M’Bayes African Dance zum Beispiel oder Zvi Gotheiners Ballet for Contempora­ry Dancers und Michele Rizzos Higher bei „visual arts X dance“.

Im Prinzip spinnt sich jeder Körper den Ariadnefad­en, der ihn durch das Impulstanz-WorkshopLa­byrinth führt, selbst. Dabei kann es hilfreich sein, sich vorzustell­en, dass dieses ein Labyrinth innerhalb des größeren, kulturelle­n Irrgartens ist, der zahllose Zentren hat, aber keinen Ausgang.

Dort setzen sich die Auswirkung­en der Workshops um – egal, ob bei Kunstschaf­fenden oder jenen, die einfach aus Freude an der Sache dabei sind.

Alle Körper tragen kulturelle Dynamiken in und mit sich. Wer künstleris­ch mit diesen Diskursen arbeitet, eignet sich noch ein besonderes, emotionale­s und rationales Reflexions­werkzeug an.

Wer „visual arts X dance“und Tanz-Workshops miteinande­r kreuzt, kann sich in Verbindung­smöglichke­iten zwischen mehreren Genres vertiefen. Den Versuch ist es wert. pwww. impulstanz.com/workshops

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