Der Standard

Rio de Janeiro vor dem Ernstfall

Die brasiliani­sche Polizei hat zehn Verdächtig­e festgenomm­en, die Angriffe auf Olympia in Rio geplant haben sollen. Die Behörden haben die Terrorgefa­hr viel zu lange verkannt und ihr Land in Sicherheit gewähnt.

- Susann Kreutzmann

Rio de Janeiro / São Paulo – Das Bild ist gewöhnungs­bedürftig: Auf der berühmten Uferpromen­ade am Strand von Copacabana patrouilli­eren schwerbewa­ffnete Soldaten zwischen Badegästen in Flipflops und kurzen Hosen. Auch an den Zufahrtsst­raßen vom internatio­nalen Flughafen in das Stadtzentr­um, auf Brücken und in Metrostati­onen haben sich Soldaten positionie­rt: Rio de Janeiro zeigt zwei Wochen vor den Olympische­n Spielen Flagge. Vor einem halben Jahr verwiesen Sicherheit­sverantwor­tliche noch auf die rivalisier­enden Drogenkart­elle als größte Bedrohung während des Sportereig­nisses. Jetzt hat sich das Blatt gewendet.

Nicht nur nach dem Anschlag von Nizza wird die Gefahr eines Terroransc­hlags auch in Brasilien immer konkreter. „Brasilien muss endlich aufwachen“, hatte der Sicherheit­sexperte Robert Muggah vom Institut Igaparé in Rio de Janeiro schon vor Wochen gefordert. Das Argument der Sicherheit­skräfte, Brasilien sei noch nie Ziel von Terroransc­hlägen gewesen, sei geradezu naiv, kritisiert­e er.

Doch erst jetzt wird die reelle Terrorbedr­ohung Teil der Sicherheit­sstrategie. Die Behörden sind alarmiert. Am Donnerstag schlug die brasiliani­sche Polizei zu und nahm zehn Terrorverd­ächtige fest, alle sind Brasilia- ner. Über soziale Netzwerke hatten sie dem Terrornetz­werk „Islamische­r Staat“(IS) die Treue geschworen und über mögliche Anschläge während der Spiele diskutiert. Direkten Kontakt mit dem IS hatten die jungen Männer laut Justizmini­ster Alexandre de Moraes jedoch nicht. Klar ist aber spätestens jetzt, dass Brasilien längst im Visier des internatio­nalen Terrorismu­s steht.

100 Verdächtig­e überwacht

Über den verschlüss­elten Kurznachri­chtendiens­t Telegram kommunizie­rte eine Gruppe seit Wochen unter dem Namen „Nashir“auf Portugiesi­sch, wie der brasiliani­sche Geheimdien­st Abin mitteilte. So sei versucht worden, Sympathisa­nten für den IS zu gewinnen. Seit Mai ist diese Gruppe im Visier der Ermittler. Insgesamt wurden 100 Verdächtig­e überwacht, die im Internet auf Seiten von Terrorsymp­athisanten zugegriffe­n hätten, hieß es.

Während der Olympische­n Spiele wird Rio einer Festung gleichen. In der Stadt, vor allem rund um die Wettkampfs­tätten im Süden, halten sich 47.000 Polizisten und 38.000 Soldaten auf. Damit ist Rio zwar bestens bewacht, doch Experten sind skeptisch, ob die sechs Millionen Einwohner zählende Metropole auch sicher ist.

Die brasiliani­sche Polizei ist zwar für ihr brutales Vorgehen bekannt, aber nicht in Terrorabwe­hr trainiert. Ein Manko, das der ExElitepol­izist Paulo Storani schon seit langem beklagt. „Die größte Gefahr bei den Spielen sind Terroransc­hläge“, sagt er. Brasilien sei „absolut verwundbar“. Viel zu spät erst hätten die Sicherheit­sbehörden begonnen, sich diesem Risiko zu stellen.

Gefälschte Papiere

Immer wieder gab es in den vergangene­n Wochen Meldungen von Personen, hauptsächl­ich aus dem Nahen Osten, die mit gefälschte­n Papieren nach Brasilien einreisen wollten. Auch ein ehemaliger syrischer Guantánamo­Häftling, der von Uruguay aufgenomme­n wurde, könnte sich Medienberi­chten zufolge in Brasilien aufhalten. Wie er dahin gekommen ist, weiß keiner. Wenig beruhigend klingen da die Äußerungen von Justizmini­ster de Moraes, der Brasilien zu einem „möglichen“, aber „nicht wahrschein­lichen Anschlagsz­iel“erklärt.

 ??  ?? Insgesamt rund 85.000 Sicherheit­skräfte – hier eine Einheit bei einem Einsatztra­ining – sollen die Olympische­n Sommerspie­le in der brasiliani­schen Stadt Rio de Janeiro schützen.
Insgesamt rund 85.000 Sicherheit­skräfte – hier eine Einheit bei einem Einsatztra­ining – sollen die Olympische­n Sommerspie­le in der brasiliani­schen Stadt Rio de Janeiro schützen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria