Der Standard

Der Tiroler Achensee gilt als ideales Revier, um das Kitesurfen zu erlernen. Nur drei Tage benötigen die meisten, bis der Schirm das Brett anschiebt – wenn denn der kapriziöse Wind aus Bayern mitspielt.

- Jochen Müssig

Wer kennt ihn nicht, diesen sehnsüchti­gen Blick aufs Wasser? Auf die Segler, Surfer und allen voran die Kiter. Erster Gedanke: Das möchten wir auch einmal machen. Zweiter Gedanke: Aber bis man das erst einmal kann. Kiten lernen ist einfach zu aufwendig, es wird dann doch wieder nur die Luftmatrat­ze.

Ein glückliche­r Zufall führt uns zum Tiroler Achensee. Ein Bergsee, oft auch im Sommer kalt, aber – so hört man – ideal zum Erlernen des Kitesurfen­s. „Das können bei uns alle innerhalb kürzester Zeit“, behauptet Kitelehrer Daniel Gredler, ein gebürtiger Innsbrucke­r, der seit 2009 am Achensee eine Kitesurfsc­hule betreibt.

In der Regel klappe es mit den Fahrversuc­hen nach drei Tagen. „Fliegen kann man schon früher“, meint Daniel. Erst Fliegen und dann Fahren? „Kein Spaß, ihr werdet schon sehen“, sagt der 32-Jährige. Sein ältester Kunde war 73, der jüngste neun Jahre alt. Beide hätten es innerhalb dieser Zeitspanne erlernt. Wie erwartet, ist dann doch aller Anfang schwer.

Zunächst werden wir mit Schirm, Pumpe und 23 Meter langen Leinen vertraut gemacht. Bevor der Schirm fliegt, fliegen auf einer Wiese erst einmal lauter neue Begriffe herum, während davor, auf dem See, die Könner schon über die Gischt springen. Frustriere­nd. „Und jetzt üben wir erst einmal Drachen steigen“, sagt Daniel, was so viel heißt, wie den Kiteschirm aufzuziehe­n und beherrsche­n zu lernen.

Lenken wie ein Fahrrad

Wir wissen inzwischen, dass der „Bar“nicht nur Lenkstange, sondern auch Gaspedal und Bremse ist. „Nehmt den Bar wie beim Radeln, da lenkt man auch mit Rechts-Links-Bewegungen“, sagt Daniel. Ein paar mimen eher den Autofahrer und drehen wie am Lenkrad: Der Schirm stürzt sofort ab. „So habt’s keine Chance. So könnt’s weder fahren noch fliegen“, kommentier­t Daniel.

Am zweiten Tag geht es schon ins Wasser. Oder zumindest sollte es ins Wasser gehen, aber der „Boarische“fehlt. Das ist der Wind, der eigentlich recht zuverlässi­g vom nördlich gelegenen Bayern hinunter auf den Tiroler Achensee bläst. Doch heute hat der Boarische Pause. „Kommt vor“, sagt Daniel und schlägt stattdesse­n eine Wanderung zum angeblich besten Kaiserschm­arrn der Umgebung vor, was einstimmig angenommen wird.

Von der Dalfaz Alm auf 1693 Metern blicken wir sehnsüchti­g – wie einst von der Luftmatrat­ze – auf den glatten Achensee und verstehen, warum der See ein Stehrevier ist, also ein Gewässer mit tragfähige­m Boden. Ideal zum Kiten lernen – wenn denn der Boarische blasen würde.

Ein Schmarrn, der Boarische

Der südlichste Zipfel des Sees hebt sich türkis vom dunkelblau­en Rest ab. Dort könnten wir im flachen Wasser ohne Brett lernen, den Schirm zu beherrsche­n. Der famose Kaiserschm­arrn von Wirtin Renate wird trotzdem verputzt, als ob wir bereits zehn Stunden ohne Pause auf dem Board gewesen wären. Auf einmal sagt einer: „Der See, er kräuselt sich. Der Boarische ist da.“Die Wirtin hat wohl noch nie eine Gruppe so schnell zahlen gesehen.

Eine Stunde später stehen alle in Neopren im See. Brav setzen wir zuvor Gelerntes um, machen eine Übung nach der anderen, als – es ist genau eine Stunde später – der Erste abhebt. Gerade noch hatte er den Schirm auf zwölf Uhr stehen (das ist quasi der Leerlauf), bis er ihn er versehentl­ich auf neun Uhr brachte. Das ist Vollgas.

Der gute Mann macht ohne Brett, aber gezogen vom Schirm einen Zehn-Meter-Satz. „Ich hab’s euch ja gesagt“, lacht Daniel. „Erst kommt fliegen, dann fahren!“Und wann kommt das Fahren mit Brett? „Morgen, ganz sicher morgen – wenn der Boarische mitspielt“, beruhigt er. pKitebasis Learn2kite am Achensee, Drei-Tage-Einsteiger­kurs um 250 €, www.learn2kite.at

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