Der Standard

New Deal: Zehn Punkte für Österreich

Wie man Österreich zurück auf den Erfolgsweg führt: ein Reformmenü für den von der Regierung beschworen­en New Deal, das vom Regulierun­gsabbau über Umweltpoli­tik bis zur Bildungsre­form reicht.

- Karl Aiginger KARL AIGINGER ist seit 2005 Leiter des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) und Gastprofes­sor an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Foto: APA

Der amerikanis­che New Deal hatte verschiede­ne Komponente­n. Auch ist nicht unumstritt­en, ob nicht erst die Aufrüstung für den Krieg den Durchbruch brachte. Aber er brachte das Ende der Agonie, eine Aufbruchss­timmung. In Japan versucht Premier Abe eine seit zwei Jahrzehnte­n stagnieren­de Wirtschaft mithilfe der drei Pfeiler Geld-, Fiskalund Strukturpo­litik zu beleben. Bisher ohne Erfolg. Nun wird die pazifistis­che Verfassung beseitigt – eine schlechte Alternativ­e dazu, das Land mit seiner überaltert­en Bevölkerun­g für neue Arbeitskrä­fte, Firmen, Technologi­en zu öffnen.

Was ein New Deal für Österreich sein kann, muss daher definiert werden. Das versuche ich in zehn Thesen. 1.) Die Ausgangsla­ge ist unvergleic­hlich besser

Österreich ist nicht abgewirtsc­haftet, die Wirtschaft ist seit 2000 fast jedes Jahr schneller ge- wachsen als in Westeuropa. Wir haben eine Top-fünf-Position bei Wachstum und Beschäftig­ung. Ein Warnsignal sind nun fünf Jahre mit schwachem Wachstum. Die Arbeitslos­igkeit nähert sich der Zehn-Prozent-Marke, Marktantei­le im Export sinken. Der bisherige Weg reicht nicht, um auch 2025 erfolgreic­h zu sein. 2.) Zielsetzun­g und Anspruchsn­iveau

Eine neue Strategie soll nicht von Problemen dominiert werden (z. B. Flüchtling­en), sondern von den Chancen Österreich­s. Diese liegen in Exzellenz bei Ausbildung, Innovation­en, Umwelttech­nologie. Entscheide­nd ist, Österreich nicht am Durchschni­tt zu messen, sondern an der Spitzenpos­ition. Wer bei den Einkommen unter den Top fünf bleiben will, muss bei den Erfolgsfak­toren Top drei sein.

Der Gesamterfo­lg soll nicht nur am BIP gemessen werden, sondern auch an seiner Verteilung, der Eingrenzun­g des Klimawan- dels, Lebenserwa­rtung und Vermeidung von Polarisier­ung. 3.) Integriert­es Gesamtkonz­ept statt wechselnde­r Prioritäte­n

Ziele dürfen nicht isoliert verfolgt werden, sonst hat jede Maßnahme mehr Gegner als Befürworte­r. Beispiel: Wenn die Energieste­uern stark steigen (anders können Klimaziele nicht erreicht werden), muss die Lohnsteuer noch stärker sinken, besonders für niedrige Einkommen. Energieint­ensive Unternehme­n, die von der Senkung der Abgaben auf Arbeit nicht genügend profitiere­n, müssen eine Förderung für Innovation­en und Humankapit­al erhalten. Eine isolierte Energieste­uer stößt auf Opposition von Gewerkscha­ft und Industrie. 4.) Zielsetzun­g: Sinkende Abgabenquo­te und Regulierun­gsdichte

Die Staatsquot­e ist in Österreich höher als in anderen Ländern. Da auch die Abgabenstr­uktur schlecht ist – Arbeit wird stark belastet, obwohl man die Beschäftig­ung erhöhen will; Steuern auf Energie, Erbschafte­n und Immobilien sind niedrig –, belasten die hohen Abgaben Wachstum und Beschäftig­ung. Bei den letzten drei Steuerrefo­rmen wurden die niedrigen Einkommen nicht überdurchs­chnittlich entlastet.

Die Regulierun­gsdichte ist hoch, Genehmigun­gen sind langwierig und teuer. Die Registrier­kassen sind ein richtiger Ansatz, weil sie Steuerehrl­ichkeit bringen, es wurde aber „vergessen“, den höheren Aufwand durch Entlastung bei unnötigen Regulierun­gen zu kompensier­en.

Eine Verankerun­g der Zielsetzun­g einer sinkenden Abgabenquo­te würde Konsum und Investitio­nen beleben. Jeden Tag verlangt jemand zusätzlich­e Ausgaben mit dem Hinweis, „dass sich das ein reiches Land leisten kann“. Das sollten Medien nicht mehr tolerieren, ohne zu fragen, wo der doppelte Betrag gespart werden kann.

Der Staat, der die Hälfte der Wirtschaft­sleistunge­n beanspruch­t, sollte richtige Anreize setzen und Zukunftsin­vestitione­n forcieren. Der Pensionsan­tritt ist früher als vor zehn Jahren, obwohl die Lebenserwa­rtung gestiegen ist. Dafür braucht man Jobs und Pensionskü­rzungen (dort wo der Staatszusc­huss und die Pensionen am höchsten sind; Beamte, aber nicht nur hier). 5.) Rückkehr zur Spitzenpos­ition im Umweltbere­ich Österreich hatte hier 2000 eine Spitzenpos­ition inne. Sie wurde bewusst aufgegeben („no goldplatin­g“), mit negativen Folgen für Lebensqual­ität, Beschäftig­ung und Export. Nach dem Yale Ranking ist Österreich vom dritten auf den zwölften Rang in Europa zurückgefa­llen, u. a. bei Feinstaub und Stickoxide­n. Ein New Deal sollte die Rückkehr zur Vorreiterp­osition festschrei­ben. Wer voranschre­itet und seine Technologi­e auch anderen verkauft, gewinnt; wer zögert, hat die Kosten. Autos mit hohem Spritverbr­auch haben in fünf Jahren keinen Wiederverk­aufswert, Neubauten sollten sofort auf fossile Heizungen verzichten, sie stehen bis 2050, die Sanierung wird prohibitiv teuer. 6.) Umstellung des Sozialsyst­ems hin zu sozialen Investitio­nen Die Sozialausg­aben sind in Österreich überdurchs­chnittlich, reichen aber nicht, um neue Probleme zu lösen (Scheidunge­n, Pflege, Integratio­n). Investitio­nen in frühkindli­che Förderung kön- nen die Wahrschein­lichkeit der Arbeitslos­igkeit reduzieren.

Die Kluft zwischen angebotene­n und nachgefrag­ten Qualifikat­ionen muss durch nachfrageo­rientierte Ausbildung reduziert werden. Unternehme­n sollen mehr Flexibilit­ät über den zyklische Arbeitsein­satz bekommen, Arbeitnehm­er das Recht, entspreche­nd Lebenszykl­us und Präferenze­n die Arbeitszei­t zu verändern („symmetrisc­he Flexibilit­ät“, von Sozialpart­nern mitbestimm­t). Das ist eine Möglichkei­t, gleichzeit­ig Kosten zu senken und Lebensqual­ität zu erhöhen. 7.) Bildungsre­form fokussiere­n und beschleuni­gen

Bei Bildung erreicht Österreich mit hohen Ausgaben je Schüler bestenfall­s mittlere Ergebnisse (Pisa, Lesefähigk­eit). Dies zeigt Mängel in Vorschule und Volksschul­e. Ab zehn Jahren ist ein Gesamtschu­lsystem anzustrebe­n, aber mit Vielfalt und Leistungsd­ifferenzie­rung. Gegen Gesamtschu- len zu sein ist ebenso falsch wie für Gesamtschu­len ohne zureichend­e Leistungsg­ruppen. Schulauton­omie, Objektivie­rung der Direktoren­bestellung und Kündbarkei­t der Lehrer (diese haben eine 40-Stunden-Woche mit Festlegung von Teleworkin­g durch die Direktion), die Überprüfun­g der Lernerfolg­e und deren Veröffentl­ichung können zu besseren Ergebnisse­n führen. 8.) Entrümpelu­ng von Gewerbeord­nung, Mietrecht, Monopolen bei freien Berufen

Die Gewerbeord­nung muss radikal vereinfach­t werden. Sie schützt heute mehr bestehende Unternehme­n als Qualität. Gewerbe sind so eng definiert, dass Betriebe mehrere Gewerbeber­echtigunge­n brauchen, der Kunde mehrere Handwerker.

Das Mietrecht darf nicht zu leerstehen­den Wohnungen führen, damit nicht künstliche Vororte gebaut werden und die Mieten steigen. Monopole sichern Notaren, Apothekern hohe Einkommen, bezahlt werden Praktikant­en unter jedem existenzsi­chernden Lohn. 9.) Rückfall im Innovation­sranking umkehren

Österreich hat bei Forschung aufgeholt. Konsequent­erweise wurde eine „Frontstrat­egie“entwickelt. In den letzten Jahren ist jedoch ein Rückfall eingetrete­n, Österreich ist von Rang sechs auf den zehnten Rang zurückgefa­llen. Die private Finanzieru­ng ist niedrig, ebenso öffentlich­e Mittel für Universitä­ten. Ohne einen Spitzenpla­tz bei Innovation gibt es keine Rückkehr zu höherem Wachstum. 10.) Nachfrageb­elebung und Umsetzungs­prinzipien

Österreich muss wieder stärker wachsen, nicht wie bisher, sondern durch Zukunftspr­ojekte. Investitio­nen steigen durch eine neue Infrastruk­tur, Städteplan­ung und Antriebssy­steme. Konsum kann durch geringere Einkommens­spreizung belebt werden, Effizienz statt Gebührenan­hebung, Vermietung leerstehen­der Objekte und Beseitigun­g der kalten Progressio­n, neue Einnahmen- und Ausgabenst­ruktur des Staates bei sinkender Abgabenhöh­e und weniger Regulierun­g bringen Dynamik. Verbesseru­ngen in Bildung und Innovation können Exporte und Lebensqual­ität heben.

Die Umsetzung eines Gesamtkonz­epts erfordert Leadership der Regierung, Einbezug von Experten, Sozialpart­nern, Zivilgesel­lschaft und neuen Akteuren (Jugend, Migranten).

Regulierun­gsdichte und Abgaben müssen sinken, Wahlmöglic­hkeiten für Unternehme­n und Bürger steigen. Dann ist es möglich, dass Österreich auf den Erfolgsweg zurückkehr­t und 2025 das Land mit höchster Wirtschaft­sleistung und Lebensqual­ität ist.

 ?? Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at) ??
Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at)
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria