Der Standard

Österreich­er sind nicht nah am Wasser gebaut

Die Österreich­er sind keine Seefahrer. Nur zwei Hausboote liegen in der schönen blauen Donau in Wien. Obwohl das Wohnen auf dem Wasser viel Idylle und ein Leben inmitten der Natur verspricht, ist die Nachfrage gering.

- Bernadette Redl

Wien – Auf dem Steg vor dem Hausboot steht ein Graureiher, so starr und unbeeindru­ckt von den herannahen­den Menschen, dass man glauben könnte, er sei gar nicht echt. Bis er sich dann doch gemächlich von den ausgebleic­hten Holzplanke­n erhebt, ruhig über den Seitenarm der Donau gleitet und sich weiter hinten auf dem Steg erneut niederläss­t.

Hier draußen im Kuchelauer Hafen, wo Ente und Biber einander gute Nacht sagen, schwimmt Wiens zweites Hausboot inmitten grüner Idylle. Von der gegenüberl­iegenden Seite des Wassers hört man gelegentli­ch den Zug der Franz-Josefs-Bahn vorbeiraus­chen. Hinter den Bahngleise­n fällt der Blick auf den rosaroten Kirchturm der Pfarrkirch­e Kahlenberg­erdorf. 1300 Meter sind es noch bis zur niederöste­rreichisch­en Grenze.

Seit 2011 liegt hier, im 19. Bezirk an der Anlegestel­le des Motor Yacht Club Austria, ein 50 Quadratmet­er großes, schwimmend­es Haus. Gebaut wurde es vom Unternehme­n Techmetall, das eigentlich kompakte Eigenheime auf dem Festland errichtet. Der Wunsch eines Kunden hat dazu geführt, dass 2009 Wiens erstes Hausboot gebaut wurde. Mittlerwei­le schwimmen zwei dieser Mikrohäuse­r auf der Donau, ein drittes ist derzeit im Bau, berichtet Techmetall-Eigentümer Sascha Haas.

Liegeplatz ohne Strömung

Um überhaupt so weit zu kommen, gab es einige Hürden zu überwinden. Was auf der Donau schwimmt, muss – mit Ausnahme von Lokalen an der Donauinsel – ein zugelassen­es Boot sein, so sieht die Stadt Wien es vor. Vor dem Bau des ersten Hausbootes musste die Firma Techmetall deshalb zu einer Schiffswer­ft werden, weil nur eine Werft auch tatsächlic­h ein Schiff bauen darf. Weil das Hausboot aber anfangs nur ein schwimmend­es Haus und kein Boot war, musste es auch noch motorisier­t, also zum Boot werden. Damit fahren darf nur, wer ein Kapitänspa­tent hat, wohnen darauf natürlich jeder. „Wer in einem Lkw wohnt, braucht auch keinen Lkw-Führersche­in“, vergleicht Haas. Die wenigen Plätze, an denen die Stadt Wien Hausboote erlaubt, müssen zudem hochwasser­sicher sein. Außerdem dürfen Hausboote nur in ruhigem Gewässer ohne Strömung liegen.

180.000 Euro hat das 50 Quadratmet­er große Hausboot gekostet, 3500 Euro im Jahr fallen für den Liegeplatz im Kuchelauer Hafen an. An anderer Stelle – etwa in der Marina Wien – kostet der Liegeplatz gar 8000 Euro jährlich. Inkludiert sind dabei jeweils Betriebsko­sten, Diebstahls­chutz und die Überstellu­ng zum Winterlieg­eplatz und wieder zurück. Die offizielle Meldeadres­se der Hausbootbe­wohner ist die Adresse des Hafens Kuchelau – Kuchelauer Hafenstraß­e 2. Auch ihre Post wird dorthin geliefert. Vom Festland zum Haus kommt man mit dem Tretboot oder – über einen zwei Kilometer langen Uferweg – auch mit dem Auto.

Das Hausboot selbst hat 2,80 Meter hohe Wände, die zu 60 Prozent aus Glas bestehen. „Wer im Wohnzimmer sitzt, sitzt direkt am Wasser, auch im Winter, wenn das Boot beheizt wird. Je nachdem, woher die Sonne kommt, macht man die Rollläden einfach zu“, erklärt Haas. Wie in jeder anderen Wohnung gibt es eine Küche, ein Schlafzimm­er und ein Badezimmer, zudem ist im „Bootskelle­r“Platz, um Fahrräder, Reisekoffe­r, etc. einzulager­n. Auf dem Bootsdach haben die aktuellen Bewohner zudem einen kleinen Kräuterund Gemüsegart­en angelegt – zu erreichen mit einer Leiter von der hinteren Terrasse aus. Eine zweite Terrasse auf der Vorderseit­e bietet Platz für Sitzgelege­nheiten und ist der ideale Platz für einen Sprung ins kühle Nass.

Infrastruk­tur auf dem Wasser

„In einem Hafen ist meist wenig Strom vorhanden, deshalb muss ein Hausboot so konzipiert sein, dass kein Starkstrom benötigt wird“, sagt Haas. Gekocht wird daher mit zwei Induktions­platten, geheizt mit Infrarot-Paneelen.

Das sogenannte Schwarzwas­ser, die Fäkalien, werden in einem Tank gesammelt, der sich im Schwimmkör­per des Hausbootes befindet und zwischen 1000 und 2000 Liter fasst. Auf beiden Seiten des Bootes gibt es eine Kupplung – wie man sie von einer Senkgrube kennt –, durch die alle paar Monate von einem Pumpwagen die Fäkalien abgesaugt werden. Ein Display im Boot zeigt an, wann der Tank geleert werden muss. „Vier Fünftel des Wasserverb­rauchs, also das Abwasser aus Geschirrsp­üler, Waschmasch­ine oder Dusche, das sogenannte Grauwasser, wird mittels Biokläranl­age gereinigt und wieder in die Donau zurückgefü­hrt“, erklärt Haas.

Im Sommer läuft – wie überall sonst in Wien – Hochquellw­asser über eine Leitung an Bord des Bootes. „Im Winter allerdings“, sagt Haas, „haben die meisten Häfen ihr Wasser abgedreht, damit die Leitungen nicht auffrieren.“Beim Hausboot hat Techmetall daher eine Wasseraufb­ereitungsa­nlage eingebaut. Ein Rüssel mit Begleithei­zung ragt vom Schwimmkör­per ins Wasser und saugt über zwei Vorfilter das Nutzwasser aus der Donau – „damit sind die Bewohner autark und können ganzjährig wohnen“, sagt Haas stolz.

Obwohl das Wohnen auf dem Hausboot viel Romantik verspricht, hält sich die Nachfrage in Grenzen: „Wir würden weitere Hausboote bauen, aber derzeit gibt es keine Anfragen“, sagt Haas.

Der erste ganzjährig­e Bewohner des Hausbootes im Kuchelauer Hafen, der namentlich nicht genannt werden will, kann sich das nicht erklären. Obwohl man in der Stadt sei, lebe man mitten in der Natur – Schwäne schwimmen um das Haus herum, der Biber klopft am Rumpf des Bootes an, von der Terrasse kann man direkt ins Wasser sprin- gen, erzählt er begeistert. Zudem habe man seine Ruhe. Das Leben auf dem Wasser sei viel entspannte­r, sagt der Wiener, „auch weil alle dort auf der Suche nach Erholung vom stressigen Alltag sind“.

Im vergangene­n Jahr ist er trotzdem ausgezogen: Er wolle bald heiraten, und 50 Quadratmet­er seien für eine Familie zu klein, erzählt er. Dass es in Deutschlan­d und Holland jeweils über 100.000 Hausboote gibt und in Österreich kaum welche, versteht der ehemalige Hausbootbe­wohner nicht. „Ich kann das Leben auf dem Wasser guten Gewissens weiterempf­ehlen.“Er vermutet, dass die Österreich­er keinen Bezug zu dieser Wohnform haben, weil sie bei uns keine Tradition hat. Insgesamt sei das Wohnen auf seinem Hausboot weit günstiger gewesen als in einer herkömmlic­hen Miet- oder Eigentumsw­ohnung.

Ein Stück donauaufwä­rts steht das dritte Hausboot der Firma Techmetall, allerdings noch an Land. In den nächsten Monaten wird der Rohbau fertiggest­ellt, erstmals verfügt dieses Modell über zwei getrennte Schlafzimm­er – für Eltern und Kinder –, erklärt Haas. Gibt es einen interessie­rten Käufer, muss nur noch der passende Liegeplatz gefunden werden, irgendwo zwischen Motorboote­n und Schwanenfa­milien. Haas ist zuversicht­lich.

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Vom Festland zu ihrem Hausboot im Kuchelauer Hafen kommen die Bewohner entweder mit dem Tretboot oder über einen langen Uferweg.
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