Münchner Amokläufer plante Tat ein Jahr lang
David S. war psychisch krank – Waffe im Darknet erworben
München – Der 18-jährige David S. hatte den Amoklauf in München lange geplant. Ein Jahr lang soll er sich darauf vorbereitet haben. So fanden die Behörden auf seinem Computer Recherchen zu Anders Breiviks Attentat in Norwegen, das sich am Freitag zum fünften Mal jährte. Freitagabend erschoss S. in München neun Menschen und sich selbst. Die Ermittler entdeckten auch ein „Manifest“und Fotos einer Reise nach Winnenden – der Tatort eines Amoklaufs im Jahr 2009.
Im Vorjahr hatte sich S. für zwei Monate in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden, danach wurde er ambulant betreut. Die Waffe, die S. einsetzte, hatte er laut Polizei im Darknet gekauft.
Sonntagabend gab es erneut Amokalarm in Deutschland: Ein Mann tötete eine Person in Reut- lingen mit einer Machete und verletzte zwei weitere. Er wurde festgenommen. (red)
Erfurt 2002, Emsdetten 2006, Winnenden 2009. Als nach der Schreckensnacht von München klar war, dass es sich nicht um einen Terroranschlag gehandelt hatte, sondern dass der 18-jährige David S. – just am fünften Jahrestag der Attacken des Anders Behring Breivik in Norwegen – Amok gelaufen war, da waren vielen Menschen auch gleich wieder diese Ortsnamen präsent.
Sie sind auf immer in Deutschland mit Amoktaten verbunden. In Erfurt (Thüringen) tötete ein 19jähriger Exschüler am GutenbergGymnasium 16 Menschen, in Emsdetten (Nordrhein-Westfalen) verletzte ebenfalls ein Exschüler an einer Realschule 37 Menschen, bevor er sich selbst richtete, und in Winnenden bei Stuttgart starben durch die Hand eines 17-Jährigen 16 Menschen. Nun wird auch die bayerische Landeshauptstadt auf die düstere Liste der Amokläufe gesetzt.
Und auch die politische Debatte wiederholt sich, bereits am Wochenende wurde der Ruf nach einer weiteren Verschärfung der ohnehin sehr restriktiven Waffengesetze in Deutschland laut. Zunächst müsse geklärt werden, wie sich der Amokschütze die Waffe besorgt habe, erklärt der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU), und sagt: „Dann müssen wir sehr sorgfältig prüfen, ob und gegebenenfalls wo es noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt.“
Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte eine bessere Waffenkontrolle. Ein labiler oder sogar psychisch kranker 18-Jähriger dürfe nicht an Schusswaffen gelangen, so Gabriel. Es müsse alles getan werden, um „den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren“.
In Deutschland gibt es kein Recht auf Waffenbesitz, wie es in den USA verfassungsrechtlich verbürgt ist. Wer einen Antrag auf einen Waffenschein stellt, muss eine persönliche Eignung und ein „Bedürfnis“zum Tragen der Waffe nachweisen und zudem eine Prüfung ablegen. Das Problem, das immer bleibt: Wenn jemand seine Waffe nicht legal, sondern illegal erwirbt, gibt es keine Kontrollmöglichkeiten. Dies traf laut Aussagen der Polizei auch auf den 18-jährigen David S. zu. Er dürfte sie im Darknet erworben haben.
Minister rät zu Wachsamkeit
Innenminister de Maizière appellierte nach der Tat auch an die Wachsamkeit der Bevölkerung: „Wenn Menschen sich verändern, psychisch auffällig werden oder sich radikalisieren, bedeutet das eine besondere Herausforderung für ihre Familien, für Freunde und behandelnde Ärzte und Therapeuten.“Bei Anzeichen von Veränderungen, die Anlass zur Sorge geben, könne und müsse professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, „da solche Entwicklungen das Umfeld des Betroffenen sonst schnell überfordern“.
Nach dem Amoklauf von Mün- chen und der Beilattacke in einem Zug in Würzburg wird in der Union aber noch eine andere, nicht neue Forderung wieder laut: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will, dass bei derlei Geschehen oder bei Anschlägen wie in Nizza und Paris auch in Deutschland die Bundeswehr im Inneren eingreifen solle.
Dies ist in Deutschland nicht möglich, die Aufgaben von Polizei und Bundeswehr sind aus historischen Gründen strikt getrennt, nie mehr sollen Soldaten auf Bürger schießen können. Die Bedenken seien aber mittlerweile überholt, sagt Herrmann: „Wir leben nicht in Zeiten der Weimarer Republik.“
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley meint, die Tat von München dürfe nicht für eine politische Profilierung missbraucht werden: „Wer im Angesicht der Tragödie nach mehr Überwachung, Abschottung und Militär ruft, instrumentalisiert die Opfer.“