Polizei in Nizza strafte erstmals Frau wegen Burkini
Burkini-Trägerinnen müssen an der Côte d’Azur neuerdings Bußgeld zahlen. Ein Gericht in Nizza erklärte das Verbot von Ganzkörper-Badeanzügen für zulässig. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.
August 2016 an der Côte d’Azur: Drei Polizisten nähern sich am Strand einer Frau und informieren sie, dass es in der Gemeinde untersagt sei, an dem Kiesstrand einen sogenannten Burkini zu tragen. Die Muslimin mittleren Alters streift darauf die Ganzkörperbekleidung ab, während einer der Ordnungshüter einen Bußzettel ausfüllt. Die Frau muss für ihr Verhalten 38 Euro zahlen.
Die Szene ereignete sich an der Promenade des Anglais, unweit des Ortes, wo im Juli ein Attentäter mit einem schweren Lastwagen in die Menge gerast war und 86 Menschen getötet hatte. Die Burkini-Debatte hat an sich nichts damit zu tun, ist sie doch in dem Reiseland, das über eine große muslimische Gemeinschaft verfügt, älteren Datums. Seit dem Terroranschlag haben allerdings ein Dutzend Gemeinden entlang der französischen Riviera – diese Woche etwa Cassis und La Ciotat – beschlossen, das muslimische Strandkleid zu verbieten. Die meist konservativen Bürgermeister berufen sich auf die öffentliche Ordnung und behaupten, gerade ausländische Strandgäste reagierten verängstigt oder verärgert; in einem Dekret hieß es gar, die Körperbedeckung behindere die Sanitäter bei allfälligen Wiederbelebungsaktionen wie Herzmassagen.
Erstes Bußgeld wegen Burkini
Auf Beschwerden einzelner Bürger hin haben lokale Verwaltungsgerichte die Burkini-Verbote im August abgesegnet. In Nizza befand ein Gericht, sie seien „nötig, angemessen und verhältnismäßig“, um die Störung der öffentlichen Ruhe zu verhindern. Außerdem sei die Ganzkörperverschleierung herabwürdigend für die Stellung der Frau. Die französische Menschenrechtsliga, die sich in Frankreich seit Jahrzehnten für die persönlichen Freiheitsrechte einsetzt, legte Rekurs beim Staatsrat in Paris ein. Das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs könnte noch diese Woche einen Entscheid von landesweiter Tragweite fällen.
Die in Nizza verhängte Geldstrafe ist die erste ihrer Art. Bisher hatte die Polizei Burkini-Trägerinnen nur verwarnt. Einzelne betroffene Frauen sollen den Strand darauf verlassen haben, eine soll sich ihrer Ganzkörperbedeckung entledigt haben.
Nach dem Terroranschlag von Nizza findet die Burkini-Affäre in Frankreich natürlich landesweit Beachtung. Allerdings wirft sie weniger Wellen als etwa das Kopftuchverbot von 2005 an öffentlichen Schulen oder das Burkaverbot von 2011.
Die ausgesprochenen Burkini-Verbote sind bisher klare Einzelfälle geblieben, wenn man die Zahl der Küstenorte in Südfrankreich in Betracht zieht. Neben konservativen Politikern haben sich allerdings auch Feministinnen gegen das zuerst in Australien – dort zu Integrationszwecken – eingeführte Badekleid ausgesprochen.
Frankreich, das Land des strikten Laizismus, hat schon vor zehn Jahren ein Kopftuch- und dann ein Burkaverbot erlassen. Der Burkini ist an den Stränden erst in dieser Saison richtig aufgetaucht. Das scheint in dem terrorversehrten Land – gerade in Nizza – irrationale Ängste zu schüren. Es genügt, die Begründung für die lokalen Verbote zu lesen, um ihren Widersinn zu erkennen. Warum soll man an einem Strand nicht den Oberkörper bedecken dürfen oder mit Beinkleidern ins Wasser steigen?
Wer Burkini-Trägerinnen aus der Nähe beobachtet, stellt rasch fest, dass es – anders als bei den Burka-Trägerinnen – zweifellos keine radikalisierten Islamistinnen sind. Diese würden von ihren Männern gar nicht an den Strand gelassen. Der Burkini scheint gerade für Musliminnen im besten Alter eher ein Mittel zu sein, trotz Religion oder Herkunft den Freuden des Strandlebens frönen zu können.
Den Burkini zu akzeptieren heißt zu akzeptieren, dass ein Zehntel der Franzosen eigene Sitten- und Bekleidungsvorstellungen hat – wie jene Frauen, die sich gerne topless sonnen. Die Güterabwägung spricht klar zugunsten der persönlichen Freiheit und gegen laizistische Prinzipien.
Es ist deshalb zu hoffen, dass die lokalen Burkini-Verbote ein saisonales Phänomen bleiben, das unter dem Eindruck des Nizza-Attentats zustande gekommen ist – und in der nächsten Badesaison wieder in Vergessenheit gerät. Damit in der Stranddemokratie alle willkommen sind.