Der Standard

Seltsamer Freispruch

- Andreas Schnauder

Walter Pilgermair war ein würdiger Verfahrens­richter. Im Hypo-Untersuchu­ngsausschu­ss ging er mit den Auskunftsp­ersonen in der Regel hart ins Gericht, verteidigt­e sie aber auch gegen die eine oder andere Entgleisun­g mancher Abgeordnet­er. Nun liegt sein Endbericht vor. Das Papier listet Chronologi­e, Fakten und Aussagen der Zeugen akribisch auf. Was großteils fehlt, ist eine Bewertung der Vorgänge. Das überrascht weiter nicht. Immerhin handelt es sich beim Ausschuss um ein politische­s Gremium, das die politische Verantwort­ung klären und Empfehlung­en ausarbeite­n soll. Die neutrale Faktenaufb­ereitung durch den Verfahrens­richter stellt somit eine gute Grundlage für die weitere Beurteilun­g dar.

Umso mehr verwundert, dass sich Pilgermair ausgerechn­et in der zentralen Frage zu einem Freispruch hinreißen lässt: Josef Pröll, so befindet der Verfahrens­richter, trage für die Fehler der Verstaatli­chung keine Verantwort­ung, weil er spät und unzureiche­nd beraten worden sei.

Diese Feststellu­ng erscheint seltsam. Erstens, weil nur der Exminister in den Genuss einer Beurteilun­g kommt, während die Rolle von Werner Faymann oder Maria Fekter nicht bewertet wird. Zweitens, weil ein Minister auch für Mitarbeite­r und Berater Verantwort­ung trägt. Theoretisc­h können die Schlussfol­gerungen der Fraktionen noch in den Bericht eingearbei­tet werden. Das ist angesichts der unterschie­dlichen Positionen aber völlig unrealisti­sch.

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