Der Standard

„Fünf Millionen practical jokes“

- Margarete Affenzelle­r

Einst, es war 1951, steckte Helmut Qualtinger – im Sekretaria­t des PEN-Clubs wartend – spontan einen Stoß des dort liegenden, hauseigene­n Briefpapie­rs ein und ging. Zu Hause machte er sich sogleich an die Arbeit.

Er richtete an sämtliche Zeitungen des Landes ein Schreiben, das die baldige Ankunft des Eskimodich­ters Kobuk am Wiener Westbahnho­f ankündigte. Der grönländis­che Poet würde hier – auf Einladung des PEN-Zentrums – seinen neuen Schlittenh­undroman vorstellen. Aus dem Zug, den an besagtem Tag viele Journalist­en auf dem Bahnsteig erwarteten, stieg in dickes Fell gehüllt schließlic­h – na, Qualtinger himself.

Für seinen genialen Schabernac­k war der Schauspiel­er, Kabarettis­t und Rezitator bekannt. Es seien „fünf Millionen practical jokes“gewesen, sagt André Heller, Freund und Gesangskol­lege (Wean, du bist a Taschen- feitl) sowie Autor des am Sonntag als dok.film gesendeten Filmporträ­ts (2011). Am 29. September vor dreißig Jahren starb der „Menschenim­itator“Qualtinger (Selbstbesc­hreibung).

Viele von Qualtinger­s charakters­tarken Aktionen fördert dieser Film in grundehrli­chen, sprich nicht süßlich-verklärend­en Interviews mit Weggefährt­en zutage, darunter Carl Merz, Gerhard Bronner, Erni Mangold, Franz Schuh, Teddy Podgorski, Vera Borek und Sohn Christian Qualtinger. Es ist ein kurzweilig­er Ritt durch die kulturelle­n Nachkriegs­jahrzehnte mit reichlich Archivmate­rial.

In einem Telefonsch­erz – ein bewährtes Genre – stellte Qualtinger einem Schauspiel­er die erste ersehnte Rolle im tragischen Fach in Aussicht. Es gäbe leider nicht viel Gage, auch müsse sich derjenige eine Glatze rasieren lassen. Okay. Und zudem, tja, auch kastrieren lassen. Der Mime überlegte kurz. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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