Der Standard

Schwierige­r Rechtsstre­it um Negativzin­sen

Gerichtsur­teilen zugunsten von Kreditnehm­ern steht Natur des Vertrages entgegen

- Christoph Urbanek ING. DR. CHRISTOPH URBANEK ist Rechtsanwa­ltundPartn­erbeiDLA Piperin Wien. christoph.urbanek@dlapiper.com

Wien – Durch die Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k sind Referenzzi­nssätze wie der Euribor bereits in den negativen Bereich gerutscht. Während österreich­ische Banken für Einlagen keine Negativzin­sen verrechnen, stellt sich die Frage, ob Banken jenen Kunden, die in Kreditvert­rägen variable Kreditzins­en vereinbart haben, Geld zahlen müssen, wenn der vereinbart­e Aufschlag geringer als der negative Wert des Referenzsa­tzes ist.

Mehrere Banken haben ihre Kunden verständig­t, dass sie entweder einen Betrag von zumindest null oder in der Höhe des vereinbart­en Aufschlags verrechnet würden, unabhängig von vertraglic­hen Regelungen, die einen solchen Mindestzin­s nicht vorsehen. Banken behaupten, dass bei Vertragsab­schluss die Kreditvert­ragspartei­en nicht mit einem negativen Referenzzi­nssatz gerechnet hatten und daher eine planwidrig­e Vertragslü­cke vorliege, die durch Einfrieren des Zinssatzes geschlosse­n werden müsste.

Dagegen haben Verbrauche­rverbände geklagt. Das Handelsger­icht Wien hat bereits zum zweiten Mal – nicht rechtskräf­tig – eine Bank zur Zahlung von Negativzin­ssätzen an Kreditnehm­er verpflicht­et. Das Gericht begründete seine Entscheidu­ng damit, dass vereinbart­e Zinsanpass­ungsklause­ln weder Ober- noch Untergrenz­e kennen. Es wäre der Bank zudem offen gestanden, bei Abschluss der Kreditvert­räge Beschränku­ngen der Zinsentwic­klung nach oben sowie nach unten in gleicher Weise vorzusehen. Aber diese Auslegung des Gerichtes ist nicht unumstritt­en.

Ergänzende Auslegung

Unproblema­tisch ist es, wenn sich im Kreditvert­rag Anhaltspun­kte finden, mit deren Hilfe man die Antwort durch einfache Vertragsau­slegung ermitteln könnte. Ansonsten ist der Vertrag ergänzend auszulegen. Dabei ist zu prüfen, ob es dem tatsächlic­hen oder hypothetis­chen Willen der Parteien eines Kreditvert­rages entspricht, wenn die Bank dem Kreditnehm­er für die Zurverfügu­ngstellung der Kreditvalu­ta ein Entgelt in Form von Zinsen zu zahlen hat.

Gegen eine solche Verpflicht­ung spricht, dass Kreditvert­räge entgeltlic­h sind. Das ergibt sich bereits aus der Legaldefin­ition des § 988 ABGB, der Kreditvert­räge als entgeltlic­he Darlehensv­erträge über Geld definiert und ausdrückli­ch davon ausgeht, dass die Zinsen vom Kreditnehm­er und nicht vom -geber zu bezahlen sind. Diesem Grundgedan­ken folgend, entspricht dies auch der Natur und dem Wesen eines Kreditgesc­häfts.

Dadurch kann argumentie­rt werden, dass eine variable Zinsenvere­inbarung, die bei entspreche­nder Entwicklun­g des Indikators dazu führen kann, dass der Zinssatz null oder sogar negativ wird, weder dem typischen Willen der Parteien noch dem gesetzlich­en Leitbild und der Natur eines Kreditvert­rages entspricht und daher im Wege der ergänzende­n Vertragsau­slegung zu korrigiere­n sein müsste.

Für Kreditinst­itute empfiehlt es sich jedenfalls, bei der Verhandlun­g von Neuverträg­en die Folgen von negativen Referenzzi­nssätzen auf die Zinsberech­nung ausdrückli­ch im Vertragste­xt festzuhalt­en. Aber wie immer die laufenden Verfahren in den Instanzen ausgehen: Die Weichen für Negativzin­sen sind möglicherw­eise bereits gestellt.

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