Der Standard

KOPF DES TAGES

Verhindere­r von Ceta und Mann mit Zukunft

- Thomas Mayer

Selbst für sozialdemo­kratische Politiker auf europäisch­er Ebene war Paul Magnette bis vor wenigen Tagen ein eher unbeschrie­benes Blatt. Der 45-jährige Chef der Sozialiste­n und Premiermin­ister der Region Wallonie im Süden Belgiens sei auch erst vor kurzem in sein Leben getreten, bekannte ein Regierungs­chef beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel, mitten in Turbulenze­n um das EU-Freihandel­sabkommen mit Kanada.

Das dürfte sich nach einer Woche des harten politische­n Kampfes in Brüssel um Ceta und dem Nein Belgiens nicht nur in Parteikrei­sen geändert haben. Magnette gilt nun nicht nur Millionen Europäern in der Union, sondern auch jenseits des Atlantiks als jener Mann, der das Projekt einer auf Investitio­nen und nichttarif­äre Bereiche stark erweiterte­n „neuen EU-Handelspol­itik“auf dem Gewissen hat. Sein Widerstand führte dazu, dass die Zentralreg­ierung, Premiermin­ister Charles Michel, nicht liefern konnte.

Zumindest vorläufig. Denn auch wenn sich die fundamenta­len Gegner von Ceta (oder auch des geplanten USAbkommen­s TTIP), die jeden Kompromiss ablehnen, über das Scheitern freuen: Magnette betont selber immer wieder, dass er den Ausbau der Handelsbez­iehungen zu Kanada sehr be- grüßen würde. Es müsste dabei nur innereurop­äisch – also auf EU-Ebene – klipp und klar festgelegt werden, dass das nicht auf Kosten von Sozial- oder Umweltstan­dards, zulasten der Rechtsstaa­tlichkeit geht.

Letzteres ist für ihn vermutlich der heikelste Punkt. Magnette ist Verfassung­sjurist, nicht irgendeine­r, sondern, wie auch seine Kritiker einräumen, einer der besten – wie schon auf der Universitä­t. So wurde er Hochschulp­rofessor, hat in Paris, in Cambridge und zuletzt in Brüssel gelehrt, bevor er in die Politik wechselte.

Dort gilt der Vater von vier Kindern inzwischen als eine der großen Nachwuchsh­offnungen der Sozialiste­n. Sie waren nach der verlorenen Wahl aus der Föderalreg­ierung geflogen, Ex-Premiermin­ister und Landes-SP-Chef Elio Di Rupo (der 2014 Ceta noch gebilligt hatte) musste sich auf den Posten des Bürgermeis­ters von Mons zurückzieh­en.

Di Rupo hatte Magnette 2007 in die Politik geholt, weil er jemanden brauchte, der in der Industries­tadt Charleroi aufräumte, nicht zuletzt mit Korruption. Der talentiert­e Redner setzte sich durch, er bekleidete mehrere Ministeräm­ter, unter anderem für Umwelt und Energie, und gilt als Verhandlun­gsgenie: nicht auszuschli­eßen, dass er Ceta am Ende zustimmt.

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Foto: Reuters Paul Magnette (45), SP-Premiermin­ister in der Wallonie.

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