KOPF DES TAGES
Verhinderer von Ceta und Mann mit Zukunft
Selbst für sozialdemokratische Politiker auf europäischer Ebene war Paul Magnette bis vor wenigen Tagen ein eher unbeschriebenes Blatt. Der 45-jährige Chef der Sozialisten und Premierminister der Region Wallonie im Süden Belgiens sei auch erst vor kurzem in sein Leben getreten, bekannte ein Regierungschef beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel, mitten in Turbulenzen um das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada.
Das dürfte sich nach einer Woche des harten politischen Kampfes in Brüssel um Ceta und dem Nein Belgiens nicht nur in Parteikreisen geändert haben. Magnette gilt nun nicht nur Millionen Europäern in der Union, sondern auch jenseits des Atlantiks als jener Mann, der das Projekt einer auf Investitionen und nichttarifäre Bereiche stark erweiterten „neuen EU-Handelspolitik“auf dem Gewissen hat. Sein Widerstand führte dazu, dass die Zentralregierung, Premierminister Charles Michel, nicht liefern konnte.
Zumindest vorläufig. Denn auch wenn sich die fundamentalen Gegner von Ceta (oder auch des geplanten USAbkommens TTIP), die jeden Kompromiss ablehnen, über das Scheitern freuen: Magnette betont selber immer wieder, dass er den Ausbau der Handelsbeziehungen zu Kanada sehr be- grüßen würde. Es müsste dabei nur innereuropäisch – also auf EU-Ebene – klipp und klar festgelegt werden, dass das nicht auf Kosten von Sozial- oder Umweltstandards, zulasten der Rechtsstaatlichkeit geht.
Letzteres ist für ihn vermutlich der heikelste Punkt. Magnette ist Verfassungsjurist, nicht irgendeiner, sondern, wie auch seine Kritiker einräumen, einer der besten – wie schon auf der Universität. So wurde er Hochschulprofessor, hat in Paris, in Cambridge und zuletzt in Brüssel gelehrt, bevor er in die Politik wechselte.
Dort gilt der Vater von vier Kindern inzwischen als eine der großen Nachwuchshoffnungen der Sozialisten. Sie waren nach der verlorenen Wahl aus der Föderalregierung geflogen, Ex-Premierminister und Landes-SP-Chef Elio Di Rupo (der 2014 Ceta noch gebilligt hatte) musste sich auf den Posten des Bürgermeisters von Mons zurückziehen.
Di Rupo hatte Magnette 2007 in die Politik geholt, weil er jemanden brauchte, der in der Industriestadt Charleroi aufräumte, nicht zuletzt mit Korruption. Der talentierte Redner setzte sich durch, er bekleidete mehrere Ministerämter, unter anderem für Umwelt und Energie, und gilt als Verhandlungsgenie: nicht auszuschließen, dass er Ceta am Ende zustimmt.