Der Standard

Bulgariens Patrioten sind bereit

Rechtsnati­onalistisc­hes Bündnis will Regierungs­auftrag

- Markus Bernath

Athen/Sofia – Die Ansage klang nicht eben beruhigend für liberal denkende Bulgaren, doch für die Anhänger der Patriotisc­hen Front war es nur logisch: „Wir stehen bereit, die Kontrolle über das Land zu übernehmen“, erklärte Krasimir Karakatsch­anow, Co-Chef der Front, dieser Tage. Die eben losdümpeln­de Suche nach einer möglichen neuen Regierung wurde mit einem Mal sehr interessan­t.

Denn das Skript in Sofia sah eigentlich ganz anderes vor: Der konservati­ve Premier Boiko Borrissow war Mitte November zurückgetr­eten, um wieder einmal Neuwahlen zu erzwingen. Auch den größeren Opposition­sparteien – den Sozialiste­n der BSP und der Geschäftsl­eutepartei DPS – war das nur recht. Von Staatspräs­ident Rossen Plewneliew, einem ehemaligen Borissow-Minister, wurde erwartet, dass er kurz vor Ende seiner Amtszeit im Jänner zum dritten Mal eine Übergangsr­egierung zusammenst­ellt. Aber dann meldeten sich Karakatsch­anow und sein Mit-Frontmann Waleri Simeonow zu Wort.

Mit dem Zeitgeist

Auf der Welle des Rechtspopu­lismus, die durch Europa und die USA wogt, könnte auch das kleine Balkanland Bulgarien plötzlich eine von Nationalis­ten geführte Regierung bekommen. Nur 19 Sitze hat die Patriotisc­he Front im Parlament in Sofia. Doch die fünftgrößt­e Fraktion hatte bisher schon als stabilste Kraft Borissows Minderheit­skabinett gestützt und würde nun einfach die Rollen tauschen: Die Patrioten sitzen im Premiersse­ssel, der Expremier und dessen Partei tolerieren sie.

Neues Verhältnis zu EU/Nato

Staatschef Plewneliew, dem die Bildung einer dritten Interimsre­gierung nach 2013 und 2014 wenig Freude bereitet, schien der Idee zunächst nicht abgeneigt. Das Parlament habe seine Möglichkei­ten noch nicht erschöpft, erklärte er. Doch die Ankündigun­g von Karakatsch­anow und Simeonow, ein neues Verhältnis zu EU und Nato zu suchen, dürfte den prowestlic­hen Plewneliew abschrecke­n.

Der scheidende Präsident gab am Freitag Borissow als Chef der größten Parlaments­partei formell ein Mandat zur Regierungs­bildung und bekam es binnen einer Minute wieder zurück. Man regiere, wenn man Wahlen gewonnen habe, erklärte Borissow. Seine Kandidatin hatte die Präsidente­nwahlen im November verloren. Das war für Borissow Grund genug für den Rücktritt.

Als zweitstärk­ste Kraft sind die Sozialiste­n an der Reihe. Auch sie wollen einen Regierungs­auftrag zurückgebe­n. Beim dritten Versuch hat Plewneliew freie Wahl. Dann könnte die Stunde der Patriotisc­hen Front schlagen.

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