Prozess: Die angeblich erpresste Bankangestellte
23-Jährige soll in ihrer Filiale 300.000 Euro gestohlen haben und erzählt Obskures
Wien – Eines ist sicher: Schuld daran, dass der Hypo Niederösterreich 300.000 Euro fehlen, ist Insiderwissen. Es geht aber nicht um die Landesregierung unter der Enns, sondern um den Prozess gegen Johanna A. (Name geändert, Anm.). Die 23-Jährige soll als Filialangestellte die Summe am 5. Februar 2016 in die eigene Tasche gesteckt haben. Sie leugnet das – und erzählt eine abenteuerliche Geschichte.
Zunächst die Version von Staatsanwältin Sonja Herbst. A. habe zweimal größere Bargeldbeträge für die Filiale bestellt. Als die Geldlieferung kam, zweigte sie die 300.000 Euro ab, verließ die Bank und meldete sich später, um eine Erpressung vorzutäuschen.
Eine Geschichte, die nun auch das Schöffengericht unter Vorsitz von Mariella Ecklmair hört. „Um sieben Uhr hat es an der Wohnungstür geklopft“, erzählt die Unbescholtene dem Senat. Draußen seien zwei Unbekannte gestanden. Die sie erstaunlich genau beschreiben kann: „Overalls, schwarze Lederhandschuhe, graue Sportschuhe.“
Das Duo habe sie in die Wohnung gedrängt und über sie Bescheid gewusst – wo und mit wem sie arbeite, sogar ein Foto ihrer Eltern hätten sie auf dem Handy gehabt. „Sie haben mir auch gesagt, dass sie mein Telefon überwachen und heute eine größere Geldlieferung an die Bank kommt.“
Die sollte sie stehlen und bis spätestens 14 Uhr zu einem Übergabeort bringen. Interessant: A.s Hund habe zunächst auch gebellt. Doch dann habe einer der Täter ein Bettlaken aus einem Kasten genommen, Klebeband aus der Kleidung gezogen und den Hund in das Tuch eingewickelt. Das Tier soll sich nicht gewehrt und danach ruhig gewesen sein.
In Scripted-Reality-Sendungen des nachmittäglichen Fernsehprogramms würde sich das noch plausibel anhören. In der Realität weniger. Beispielsweise das Klebeband: „Laut DNA-Gutachten wurden darauf nämlich nur Ihre Spuren, die Ihres Freundes und einer unbekannten Person gefunden“, hält Ecklmair der Angeklagten vor. Deren Freund zum Tatzeitpunkt aber aus familiären Gründen in Bukarest gewesen ist.
Einem Schöffen lässt die Sache mit dem Hund keine Ruhe. „Die Täter sollen so gut organisiert sein, und dann wissen die nicht, dass Sie einen Hund daheim haben? Und müssen den mit einem Ihrer Bettlaken ruhigstellen?“A. bietet auch keine schlüssige Erklärung dafür an, warum sie nach Verlassen der Wohnung niemanden verständigt hat.
Rätselhaft erscheint auch, wie die angebliche Bande sich so auf ihr Glück verlassen konnte. Denn laut Darstellung A.s sei es ebensolches gewesen, dass ihr Vorgesetzter sie an dem Tag allein in den Tresorraum gehen ließ. Normalerweise hätte ein Vier-AugenPrinzip gegolten – eine Darstellung, der der Vorgesetzte als Zeuge übrigens widerspricht.
Sie stahl jedenfalls das Geld und fuhr mit einem Car2Go-Mietauto zum Übergabeort. Dort blieb sie laut elektronischen Aufzeichnungen zwei Minuten. Sie habe das Geld über einen Zaun geworfen, behauptet die Angeklagte.
Obwohl sie nicht wissen konnte, ob die Erpresser auch zu dem Geld kamen, alarmierte sie anschließend ihren Vorgesetzten und die Polizei – vor 14 Uhr. Ein Umstand, der Anklägerin und Senat ebenfalls verdutzt.
Für ein DNA-Gutachten wird vertagt.