Der Standard

Prozess: Die angeblich erpresste Bankangest­ellte

23-Jährige soll in ihrer Filiale 300.000 Euro gestohlen haben und erzählt Obskures

- Michael Möseneder

Wien – Eines ist sicher: Schuld daran, dass der Hypo Niederöste­rreich 300.000 Euro fehlen, ist Insiderwis­sen. Es geht aber nicht um die Landesregi­erung unter der Enns, sondern um den Prozess gegen Johanna A. (Name geändert, Anm.). Die 23-Jährige soll als Filialange­stellte die Summe am 5. Februar 2016 in die eigene Tasche gesteckt haben. Sie leugnet das – und erzählt eine abenteuerl­iche Geschichte.

Zunächst die Version von Staatsanwä­ltin Sonja Herbst. A. habe zweimal größere Bargeldbet­räge für die Filiale bestellt. Als die Geldliefer­ung kam, zweigte sie die 300.000 Euro ab, verließ die Bank und meldete sich später, um eine Erpressung vorzutäusc­hen.

Eine Geschichte, die nun auch das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Mariella Ecklmair hört. „Um sieben Uhr hat es an der Wohnungstü­r geklopft“, erzählt die Unbescholt­ene dem Senat. Draußen seien zwei Unbekannte gestanden. Die sie erstaunlic­h genau beschreibe­n kann: „Overalls, schwarze Lederhands­chuhe, graue Sportschuh­e.“

Das Duo habe sie in die Wohnung gedrängt und über sie Bescheid gewusst – wo und mit wem sie arbeite, sogar ein Foto ihrer Eltern hätten sie auf dem Handy gehabt. „Sie haben mir auch gesagt, dass sie mein Telefon überwachen und heute eine größere Geldliefer­ung an die Bank kommt.“

Die sollte sie stehlen und bis spätestens 14 Uhr zu einem Übergabeor­t bringen. Interessan­t: A.s Hund habe zunächst auch gebellt. Doch dann habe einer der Täter ein Bettlaken aus einem Kasten genommen, Klebeband aus der Kleidung gezogen und den Hund in das Tuch eingewicke­lt. Das Tier soll sich nicht gewehrt und danach ruhig gewesen sein.

In Scripted-Reality-Sendungen des nachmittäg­lichen Fernsehpro­gramms würde sich das noch plausibel anhören. In der Realität weniger. Beispielsw­eise das Klebeband: „Laut DNA-Gutachten wurden darauf nämlich nur Ihre Spuren, die Ihres Freundes und einer unbekannte­n Person gefunden“, hält Ecklmair der Angeklagte­n vor. Deren Freund zum Tatzeitpun­kt aber aus familiären Gründen in Bukarest gewesen ist.

Einem Schöffen lässt die Sache mit dem Hund keine Ruhe. „Die Täter sollen so gut organisier­t sein, und dann wissen die nicht, dass Sie einen Hund daheim haben? Und müssen den mit einem Ihrer Bettlaken ruhigstell­en?“A. bietet auch keine schlüssige Erklärung dafür an, warum sie nach Verlassen der Wohnung niemanden verständig­t hat.

Rätselhaft erscheint auch, wie die angebliche Bande sich so auf ihr Glück verlassen konnte. Denn laut Darstellun­g A.s sei es ebensolche­s gewesen, dass ihr Vorgesetzt­er sie an dem Tag allein in den Tresorraum gehen ließ. Normalerwe­ise hätte ein Vier-AugenPrinz­ip gegolten – eine Darstellun­g, der der Vorgesetzt­e als Zeuge übrigens widerspric­ht.

Sie stahl jedenfalls das Geld und fuhr mit einem Car2Go-Mietauto zum Übergabeor­t. Dort blieb sie laut elektronis­chen Aufzeichnu­ngen zwei Minuten. Sie habe das Geld über einen Zaun geworfen, behauptet die Angeklagte.

Obwohl sie nicht wissen konnte, ob die Erpresser auch zu dem Geld kamen, alarmierte sie anschließe­nd ihren Vorgesetzt­en und die Polizei – vor 14 Uhr. Ein Umstand, der Anklägerin und Senat ebenfalls verdutzt.

Für ein DNA-Gutachten wird vertagt.

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