Neue Koalitionen durch Schrauben am Wahlrecht?
Zum x-ten Mal kriselt es in der Regierungskoalition, zum x-ten Mal werfen sich SPÖ und ÖVP gegenseitig vor, Neuwahlen anzustreben, statt „zügig das Regierungsprogramm abzuarbeiten“.
Let’s face it: Die beiden können schon lange nicht mehr miteinander, und zwar nicht nur atmosphärisch, sondern auch aus jeweils legitimen programmatischen Gründen.
Neue Koalitionen wären angesagt, allerdings gibt es da ein paar kleine Schwierigkeiten. Rot-Grün oder Rot-Grün-Neos gehen sich vermutlich nicht aus, Rot-Blau wollen Christian Kern und ein ausreichend großer Teil der SPÖ nicht. Schwarz-Blau würde etwa ein Sebastian Kurz schon machen, aber Blau-Schwarz mit ihm als Vizekanzler ganz sicher nicht.
Das ist die Kernfrage der Republik: Neue Koalitionen sind schon lange, und jetzt erst recht, fast nur unter Einbeziehung der extrem rechtspopulistischen, ausländer- und EUfeindlichen, Putin-affinen, autoritär gesinnten FPÖ möglich (derzeit 30 Umfrageprozent).
Um die FPÖ kommt man fast nicht herum, wenn man etwas anderes als Rot-Schwarz will. Das ist die Crux oder der Fluch oder einfach die Ironie der Zweiten Republik – spätestens seit 1970 (!), als Bruno Kreisky seinen beispiellosen Siegeszug nur durch die Duldung seiner Minderheitsregierung durch die damals kleine FPÖ beginnen konnte.
Christian Kern versucht nun im Rahmen seines „Plan A“mit einer Wahlrechtsänderung in Richtung Mehrheitswahlrecht herauszukommen. Es gab sofort überwiegende Ab- lehnung, aber es lohnt sich, den Plan kurz zu skizzieren, da er die Crux verkörpert.
Demnach wäre der Bundespräsident nicht mehr frei darin, wen er (zunächst) mit der Regierungsbildung betraut. Er müsste die stimmenstärkste Partei beauftragen. Die hat aber nur einen Monat Zeit. In einem zweiten, wesentlichen Schritt würden automatisch die Minister dieser Regierung ein Nationalratsmandat bekommen, auf Kosten der Nichtregierungsparteien. Die Zahl der Minister müsste auf etwa zwölf beschränkt werden.
Wenn nun die SPÖ bei der nächsten Wahl zulegt und (wie 2008) 57 Mandate schafft und die Grünen 24 (wie 2013), dann wären das zusammen 81. Mit den zwölf Ministern (die innerhalb der Koalition zu verteilen wären), ergäbe das ganz knapp die notwendige Mandatsmehrheit von 93. Bezieht man die Neos mit ein, geht es leichter.
Aus dem Kanzleramt heißt es dazu: Ein solches Wahlrecht würde „die Bildung einer Koalition mit einer Partei erleichtern, die nicht FPÖ heißt. Das Feld wird breiter aufgemacht.“Theoretisch ginge dann auch Schwarz-GrünNeos leichter.
Der Trick wäre also, der stimmenstärksten Partei einen (relativ kleinen) Mandatsbonus zu geben und eine kleinere andere Partei ebenfalls mit einem Bonus anzulocken, um eine Regierungsbildung zu erleichtern. Freie Koalitionsbildungen etwa zwischen zweit-, dritt-, viertstärkster Partei wären dann schwerer möglich.
All das dient dazu, die FPÖ draußen zu halten. Die Idee, die FPÖ durch eine kraftvolle, überzeugende Politik wieder klein zu machen, ist da nicht drin. hans.rauscher@derStandard.at