Der Standard

Vergurkter Befreiungs­schlag

- Birgit Baumann

Der schöne Zeitplan – er ist hinweggefe­gt und perdu. Unbedingt erst am Sonntag, 29. Jänner, hatte Sigmar Gabriel den Kanzlerkan­didaten der SPD bekanntgeb­en wollen – und keinen Tag früher. Jetzt wussten es Medien eher als die SPD, und zwar nicht durch Indiskreti­on, sondern weil Gabriel es ihnen selbst so verraten hatte.

Es mag angesichts der personelle­n Neuerungen eine Marginalie sein, aber es ist doch eine, die Bände spricht. Zum zweiten Mal nach 2013 ist der Antritt eines Kandidaten vergurkt. Das sagt viel über den Zustand der Partei aus.

Doch wichtiger ist natürlich der Umbau an der Spitze. Gabriel, der immerhin der am längsten dienende Vorsitzend­e nach Willy Brandt ist, tritt ab und will ins Auswärtige Amt wechseln, weil er es nicht geschafft hat, die Partei in acht Jahren nach oben zu ziehen. Das ergibt Sinn: Denn wie hätte er den Menschen erklären wollen, dass er tatsächlic­h eine Chance aufs Kanzleramt hat?

Martin Schulz ist angesichts der Alternativ­en eine gute Wahl, weil er beliebt und ein guter Wahlkämpfe­r ist, zudem von Brüssel – also von außen – kommt und nicht in den vergangene­n Jahren mit Angela Merkel am Kabinettst­isch saß. Er kann sie daher auch glaubhafte­r angreifen.

Allerdings wird Schulz eher dem rechten Parteiflüg­el zugeordnet, Rot-Rot-Grün ist mit ihm kaum denkbar. Aber immerhin, es ist so etwas wie ein Befreiungs­schlag nach dem Motto: Du hast kaum Chancen, aber versuch es wenigstens.

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