Mindestsicherung: Wien sieht keine Kostenexplosion
Nach heftiger Kritik des Rechnungshofs beschwichtigt die Stadt Wien: Der Anstieg der Mindestsicherung auf 1,6 Milliarden Euro bis 2021 sei eine obsolete Prognose, Mängel würden „rasch“behoben. Der Lobautunnel sorgt bei Rot-Grün indes für einen veritablen
Wien – Der Rohbericht des Rechnungshofs (RH) hat es in sich: Um hunderte Millionen Euro jährlich sollen demnach die Kosten für die Mindestsicherung in Wien anwachsen. Der RH bezeichnete den von der Stadt Wien prognostizierten Anstieg von 626 Millionen Euro (2016) auf 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2021 als „kritisch“. Dazu wurden auch Probleme beim Vollzug und Mängel bei der Kontrolle aufgezeigt: Fast ein Drittel der zur Kontrolle vorgeschriebenen Akten sei etwa nicht überprüft worden, heißt es im RH-Rohbericht.
Die Stadtregierung war am Freitag um Beschwichtigung bemüht. Man werde nach den Prüfergebnissen „nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte ein Sprecher von Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Sollte es Probleme geben, „müssen diese so rasch wie möglich behoben werden“.
Der vom RH als kritisch eingestufte drastische Anstieg der Mindestsicherungskosten bis 2021 fuße aber auf einer veralteten Prognose, sagte Finanzstadträtin Renate Brauner. Die MA40 (Soziales) habe diese Zahl auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung geschätzt – in der Annahme, dass die Entwicklung so bleibe. Die Frage, von welchem Anstieg die Stadtregierung jetzt ausgehe, wollte aber weder Frauenberger noch Brauner beantworten. Für 2017 sind 700 Millionen für die Mindestsicherung budgetiert – nach 664 Millionen im Vorjahr. Eine Nachdotierung wird nicht befürchtet, sagte Brauner. 2016 musste um 130 Millionen nachgebessert werden.
Für Aufregung sorgte ein weiterer Punkt im RH-Rohbericht: So sollen im Zuge der Verwaltungsreform Sparbefehle für die MA40 nicht umgesetzt worden sein – was laut Krone die Steuerzahler jährlich 82,28 Millionen Euro koste. „Es gab keine Befehle. Wir sind nicht beim Militär“, sagte Brauner dem STANDARD. Es habe im Zuge der Wiener Struktur- und Ausgabenreform aber auch bezüglich der Mindestsicherung einige Sparvorschläge gegeben. Diese würde man aktuell mit den Grünen diskutieren.
Wie berichtet ringen SPÖ und Grüne seit längerem um eine Reform der Mindestsicherung. Der RH-Bericht zeige „wesentliche Probleme und Zielrichtungen“auf, „an denen wir in Wien gerade arbeiten“, kommentierte die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein. „Niemand wird uns davon abhalten, aus vergangenen Fehlern zu lernen.“ÖVP-Chef Gernot Blümel sprach hingegen von einem „völligen Desaster“, die Neos von „Nichtstun“der Stadtregierung. Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache werden „die schlimmsten Befürchtungen“übertroffen.
Streit um Lobautunnel
Der Lobautunnel sorgt indes für heftigen Streit innerhalb der rotgrünen Stadtregierung, nachdem Bürgermeister Michael Häupl im Interview mit dem STANDARD angekündigt hatte, dass der Tunnel fix komme. „An meiner ablehnenden Haltung und der der Grünen zum Lobautunnel hat sich nichts geändert“, sagte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Im Regierungsprogramm hat man sich auf die „Notwendigkeit der sechsten Donauquerung“geeinigt und wollte „alternative Planungsvarianten“zu einem Tunnel prüfen.
„Es wurde eine Expertenkommission eingesetzt, sie wird einen Bericht vorlegen. Dann werden wir darüber sprechen“, hieß es aus dem Büro Vassilakous zum STANDARD: „Ob der Lobautunnel gebaut wird, ob er umweltverträglich ist oder nicht, entscheidet nicht der Bürgermeister, sondern das Gericht.“Im Büro Vassilakous will man das Ergebnis der Kommission abwarten, das „zeitnah“vorliegen soll. Zustimmung für Häupl kam von ÖVP-Chef Blümel: Der Tunnel würde eine „nachhaltige Verkehrsentlastung“bringen. Jetzt müsse es darum gehen, die Grünen „endgültig in die Schranken zu weisen“.