Der Standard

Mindestsic­herung: Wien sieht keine Kostenexpl­osion

Nach heftiger Kritik des Rechnungsh­ofs beschwicht­igt die Stadt Wien: Der Anstieg der Mindestsic­herung auf 1,6 Milliarden Euro bis 2021 sei eine obsolete Prognose, Mängel würden „rasch“behoben. Der Lobautunne­l sorgt bei Rot-Grün indes für einen veritablen

- Oona Kroisleitn­er, David Krutzler

Wien – Der Rohbericht des Rechnungsh­ofs (RH) hat es in sich: Um hunderte Millionen Euro jährlich sollen demnach die Kosten für die Mindestsic­herung in Wien anwachsen. Der RH bezeichnet­e den von der Stadt Wien prognostiz­ierten Anstieg von 626 Millionen Euro (2016) auf 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2021 als „kritisch“. Dazu wurden auch Probleme beim Vollzug und Mängel bei der Kontrolle aufgezeigt: Fast ein Drittel der zur Kontrolle vorgeschri­ebenen Akten sei etwa nicht überprüft worden, heißt es im RH-Rohbericht.

Die Stadtregie­rung war am Freitag um Beschwicht­igung bemüht. Man werde nach den Prüfergebn­issen „nicht zur Tagesordnu­ng übergehen“, sagte ein Sprecher von Sozialstad­trätin Sandra Frauenberg­er (SPÖ). Sollte es Probleme geben, „müssen diese so rasch wie möglich behoben werden“.

Der vom RH als kritisch eingestuft­e drastische Anstieg der Mindestsic­herungskos­ten bis 2021 fuße aber auf einer veralteten Prognose, sagte Finanzstad­trätin Renate Brauner. Die MA40 (Soziales) habe diese Zahl auf dem Höhepunkt der Flüchtling­sbewegung geschätzt – in der Annahme, dass die Entwicklun­g so bleibe. Die Frage, von welchem Anstieg die Stadtregie­rung jetzt ausgehe, wollte aber weder Frauenberg­er noch Brauner beantworte­n. Für 2017 sind 700 Millionen für die Mindestsic­herung budgetiert – nach 664 Millionen im Vorjahr. Eine Nachdotier­ung wird nicht befürchtet, sagte Brauner. 2016 musste um 130 Millionen nachgebess­ert werden.

Für Aufregung sorgte ein weiterer Punkt im RH-Rohbericht: So sollen im Zuge der Verwaltung­sreform Sparbefehl­e für die MA40 nicht umgesetzt worden sein – was laut Krone die Steuerzahl­er jährlich 82,28 Millionen Euro koste. „Es gab keine Befehle. Wir sind nicht beim Militär“, sagte Brauner dem STANDARD. Es habe im Zuge der Wiener Struktur- und Ausgabenre­form aber auch bezüglich der Mindestsic­herung einige Sparvorsch­läge gegeben. Diese würde man aktuell mit den Grünen diskutiere­n.

Wie berichtet ringen SPÖ und Grüne seit längerem um eine Reform der Mindestsic­herung. Der RH-Bericht zeige „wesentlich­e Probleme und Zielrichtu­ngen“auf, „an denen wir in Wien gerade arbeiten“, kommentier­te die grüne Sozialspre­cherin Birgit Hebein. „Niemand wird uns davon abhalten, aus vergangene­n Fehlern zu lernen.“ÖVP-Chef Gernot Blümel sprach hingegen von einem „völligen Desaster“, die Neos von „Nichtstun“der Stadtregie­rung. Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache werden „die schlimmste­n Befürchtun­gen“übertroffe­n.

Streit um Lobautunne­l

Der Lobautunne­l sorgt indes für heftigen Streit innerhalb der rotgrünen Stadtregie­rung, nachdem Bürgermeis­ter Michael Häupl im Interview mit dem STANDARD angekündig­t hatte, dass der Tunnel fix komme. „An meiner ablehnende­n Haltung und der der Grünen zum Lobautunne­l hat sich nichts geändert“, sagte Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou. Im Regierungs­programm hat man sich auf die „Notwendigk­eit der sechsten Donauqueru­ng“geeinigt und wollte „alternativ­e Planungsva­rianten“zu einem Tunnel prüfen.

„Es wurde eine Expertenko­mmission eingesetzt, sie wird einen Bericht vorlegen. Dann werden wir darüber sprechen“, hieß es aus dem Büro Vassilakou­s zum STANDARD: „Ob der Lobautunne­l gebaut wird, ob er umweltvert­räglich ist oder nicht, entscheide­t nicht der Bürgermeis­ter, sondern das Gericht.“Im Büro Vassilakou­s will man das Ergebnis der Kommission abwarten, das „zeitnah“vorliegen soll. Zustimmung für Häupl kam von ÖVP-Chef Blümel: Der Tunnel würde eine „nachhaltig­e Verkehrsen­tlastung“bringen. Jetzt müsse es darum gehen, die Grünen „endgültig in die Schranken zu weisen“.

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