Der Standard

Ein Oscar sucht seinen Gewinner

Afroamerik­anische Agenda für den Oscar

- Michael Pekler

Die 89. Oscar-Gala endete mit einer bizarren Verwechslu­ng: Faye Dunaway und Warren Beatty (links) hatten das falsche Kuvert bekommen und zeichneten zunächst „La La Land“als besten Film aus. Dessen Produzent Jordan Horowitz gab den Oscar dann freiwillig seinem rechtmäßig­en Gewinner, „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins (mittleres Foto), zurück. Ohne größere Hinderniss­e gingen zuvor die Auszeichnu­ngen der besten Hauptdarst­eller vonstatten: Casey Affleck wurde für „Manchester by the Sea“gewürdigt und gratuliert­e seiner Kollegin Emma Stone, die auch für ihre Tanz- und Gesangskün­ste in „La La Land“den Preis davontrug (rechts).

Man solle doch bitte nicht so naiv sein und glauben, dass sich in Hollywood etwas verändern würde, meinte Viola Davis im Vorfeld der Oscarverle­ihung, nur weil neben ihr noch zwei weitere afroamerik­anische Schauspiel­erinnen, nämlich Octavia Spencer (Hidden Figures) und Naomie Harris (Moonlight), als beste Nebendarst­ellerin nominiert seien. Es gäbe immer noch ein Ungleichge­wicht, und es sei reiner Zufall, dass sich im vergangene­n Jahr genügend interessan­te Rollen für afroamerik­anische Frauen gefunden hätten. Dieses Bild könne sich rasch wieder ändern, und die Aussichten auf das kommende Jahr sähen nicht besonders rosig aus.

Davis, für ihre beeindruck­ende Darstellun­g an der Seite von Denzel Washington in Fences ausgezeich­net, könnte recht behalten. Denn auch wenn die Academy als Reaktion auf die harsche Kritik an der mangelnden Diversität ihrer Mitglieder zuletzt ihre Anzahl um 683 neue Stimmen – darunter viele Frauen und Angehörige ethnischer Minderheit­en – aufstockte, werden sich Veränderun­gen nur langsam zeigen.

Zeitgemäße Bilder

Als Halle Berry vor fünfzehn Jahren als erste afroamerik­anische Schauspiel­erin den Oscar als beste Hauptdarst­ellerin bekam, sahen manche bereits die Wende gekommen – und mussten bald erkennen, dass dieser denkwürdig­e Abend, an dem auch Denzel Washington seine Auszeichnu­ng als bester Hauptdarst­eller bekam, die Ausnahme geblieben war. Doch es geht um eine Form der Symbolik, für die der wichtigste Filmpreis der Welt jahrzehnte­lang eben kaum Bewusstsei­n entwickelt­e. Das betrifft nicht nur ein zeitgemäße­s Bild, das die Unterhaltu­ngsindustr­ie von sich selbst entwirft – es ist auch jenes Bild, mit dem sich diese Industrie ihrem eigenen Publikum gegenüber präsentier­t, von dem sie abhängig ist. Die Akteure vor der Kamera sind hier jedenfalls mehr als nur Repräsenta­nten.

Eine andere Frage ist, inwieweit Filme wie Moonlight oder Fences mit ihrer Agenda überhaupt ein breiteres Publikum erreichen können. Denn angesichts der immer größer werdenden Kluft zwischen einem hochbudget­ierten Blockbuste­rkino und kleineren – und das heißt vor allem billigeren – Produktion­en fällt es oscarkompa­tiblen Arbeiten zunehmend schwer, sich gegen die Dominanz von Superhelde­n und Animations­filmen durchzuset­zen. Sogar die Kopienanza­hl eines künstleris­ch hochgelobt­en und 2014 mit drei Oscars prämierten Dramas wie Steve McQueens 12 Years a Slave wurde auf dem US-Markt erst schrittwei­se aufgestock­t.

Dafür müssen jedenfalls auch afroamerik­anische Filmemache­r, die sich einer historisch­en Bewusstsei­nsbildung verschreib­en, künstleris­che Kompromiss­e eingehen, wie sich unlängst am vieldiskut­ierten The Birth of a Nation zeigte. Dafür wurde das von Nate Paker inszeniert­e Rachedrama über einen Sklavenauf­stand 1831 auf dem Festival von Sundance auch für eine Summe von 17,5 Millionen Dollar von Centfox gekauft – der teuerste Abschluss in der Geschichte des traditions­reichen Independen­tfestivals.

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