Der Standard

Der ewige Frühling des Peter Pilz

Er ist der grüne Hansdampf in allen Gassen: Peter Pilz ist präsent wie kein anderer Abgeordnet­er und erlebt im Kampf gegen die Eurofighte­r kräftigen Aufwind. Auch mit 64 will er wieder für den Nationalra­t kandidiere­n. Das Porträt eines Politikers, der sic

- Michael Völker Nina Weißenstei­ner

Wien – Peter Pilz ist sehr zufrieden mit sich und der Welt – und der Aufmerksam­keit, die diese Welt – die kleine Welt in Österreich – derzeit für ihn bereithält. Die Debatte über die Eurofighte­r beschert dem Grünen den mindestens vierten, fünften Frühling in seiner politische­n Karriere. Jetzt brauche es einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss, der muss verhandelt werden, mit der SPÖ, der ÖVP und den Freiheitli­chen. Pilz wird das schaffen, davon ist er überzeugt. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache werde er noch so weit bringen, mit Kanzler Christian Kern und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, beide SPÖ, sei er ohnedies in bestem Einvernehm­en. Und die Grünen, die hat er im Griff, weil seine Agenda im Augenblick ganz obenauf steht.

Genauso wichtig wie die Causa Eurofighte­r ist Pilz der Kampf gegen das Spitzelwes­en der türkischen Behörden, da legt er sich genussvoll mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan an. Seit einigen Wochen wirft Pilz mit ständig neuen Details dem türkisch-islamische­n Verein Atib vor, hierzuland­e Gegner von Erdogan zu „bespitzeln“. Wenn bei seiner Pressekonf­erenz die Polizei in Mannschaft­sstärke vor dem Büro der Grünen Stellung bezieht, dann bestärkt ihn das in seiner Wichtigkei­t, da liegt er auch thematisch ganz richtig. Der Boulevard ist groß eingestieg­en, die Kronen Zeitung ist ihm wohlgesonn­en, und selbst Michael Jeannée biedert sich an, wer hätte das gedacht.

Große Genugtuung

Für Pilz ist das eine große Genugtuung. Auch wenn bei den Grünen niemand etwas von seinem „linken Populismus“wissen will, hat er ihnen doch gezeigt, wie das geht, da redet man auch am Stammtisch drüber. Die Boulevardm­edien ziehen mit, und Strache, so ist Pilz überzeugt, schaut ziemlich alt aus. „Jetzt habe ich ihn dort, wo ich ihn immer haben wollte“, sagt Pilz. Ob Eurofighte­r oder der Schutz der Austro-Türken vor Erdogan, da sei kein Platz mehr für freiheitli­che Politik. Pilz sieht sich als Querverbin­der zur SPÖ und decke auch die rechte Flanke ab, indem er Klartext spricht.

Wohl bei keinem anderen Spitzenpol­itiker im Land kann das Freund-Feind-Schema so schnell wechseln wie bei Pilz. Vor nicht allzu langer Zeit geißelte der Grüne noch den „groben populistis­chen Unfug“des roten Verteidigu­ngsministe­rs im Zuge der Flüchtling­skrise, heute lobt er Doskozil bei jeder Gelegenhei­t für dessen Aufklärung­swillen in der Causa Eurofighte­r.

Doskozil, selbst politisch äußerst umtriebig, beschreibt sein Verhältnis zum jahrzehnte­langen Gottseibei­uns des Bundesheer­es so: „Pilz ist ein Hansdampf in allen Gassen. Manchmal übertreibt er es, manchmal trifft er aber genau ins Schwarze.“Nach wie vor, betont Doskozil, sei er mit dem Grünen „sicherheit­spolitisch in vielen Fragen nicht einer Meinung“. Aber im Kampf gegen Kor- ruption sei Pilz „ein aufrichtig­er Mitstreite­r – und ich hoffe, dass noch viele andere, auch aus anderen Fraktionen, dazustoßen“.

Pilz gibt dieses Kompliment gern zurück, er schätze an Doskozil dessen persönlich­e Integrität und die politische Grundhaltu­ng, er sei ein verlässlic­her Partner im Kampf gegen Korruption.

Achsen schmieden

Lustvoll schmiedet Pilz Achsen über Parteigren­zen hinweg, es sei für das Parlament überlebens­notwendig, dass in Sachfragen zusammenge­arbeitet werde, wenn es sein muss, auch mit der FPÖ. Das Parlament sei nur deshalb so schwach, weil die Vertreter der Regierungs­parteien alles bejubeln und die Opposition­svertreter alles verteufeln würden – er wolle diese Zäune durchbrech­en, sagt Pilz.

Er selbst sitzt auf riesigen Aktenberge­n, Unmengen von Dossiers und langwierig­en E-MailKorres­pondenzen – und zwar nicht nur zu den Vorgängen rund um die ungeliebte­n Abfangjäge­r. Seit den späten 1980er-Jahren gab Pilz in einer Reihe von U-Ausschüsse­n den obersten Enthüller der Nation – zuerst in den Affären Lucona und Noricum. Im neuen Jahrtausen­d leitete er als Vorsitzend­er die erste Eurofighte­rUntersuch­ung, danach entsandten ihn die Grünen in die drei Aufklärung­sgremien zu den Innenminis­teriums-, Spionage- und Korruption­saffären.

Zwar erwiesen sich nicht alle Missstände, die der Grüne im Lauf der Zeit anprangert­e, bei näherer Inspektion als Skandal, doch sein Ruf sorgt dafür, dass sich Informante­n über Parteigren­zen hin- weg bei ihm mit brisantem Material melden. Nicht selten fragen sich Beamte im Innen- wie im Verteidigu­ngsministe­rium, woher „der Pilz schon wieder diese Unterlagen hat“, wie man zugibt.

Bei Pressekonf­erenzen spitzt der Grüne die vorhandene Sachlage mit Witz und Spott bis aufs Äußerste zu – und doziert zwischendu­rch gern über die Gespräche mit seinen „Freunden im Generalsta­b“, oder wahlweise auch „beim Verfassung­sschutz“.

Nicht nur in den oft kritisiert­en Staatsappa­raten, auch bei den Medien sieht man Pilz und seinen Hang zu Übertreibu­ngen gespalten. Manche Journalist­en tun ihn als „Drama-Queen“ab, doch geschickt schafft es der Grüne immer wieder, in den Zeitungen seine Recherchen prominent zu platzieren. Ein Kenner des umstritten­en Abgeordnet­en meint nicht zuletzt wegen der kompromiss­losen Haltung seiner Partei in der Flüchtling­skrise: „So paradox es klingt: Wollen die Grünen eine Zukunft haben, müssen sie weiterhin stark auf Pilz setzen. Denn ohne ihn wird es für sie finster.“

Wein für die Soldaten

Mittlerwei­le beschreite­t der ehemalige Wehrdienst­verweigere­r und Zivildiene­r, lange Jahre für die Abschaffun­g des Militärs, ungewöhnli­che Wege. Vor Weihnachte­n hob Pilz mit Doskozil in einer Hercules im Kosovo ab – undenkbar für den Grünen vor zwanzig Jahren. Dort machte er sich für die Truppe nützlich. Doskozil: „Gefallen hat mir, dass Pilz burgenländ­ischen Wein persönlich an die Soldaten verteilt hat – er ist von Tisch zu Tisch gegangen.“

Pilz sitzt mit einer Unterbrech­ung im Wiener Landtag seit 1986 im Parlament. Dass irgendwer bei den Grünen infrage gestellt hatte, ob Pilz wieder für den Nationalra­t kandidiere­n und ob er denn die interne Vorwahl überstehen würde, das hat ihn gekränkt. „Wenn Eva Glawischni­g meint, jetzt müsse der Nachwuchs zum Zug kommen, dann bin ich dabei“, sagt Pilz, der sich selbst kokett als „Nachwuchst­alent“bezeichnet. Also wolle er auch bei den kommenden Wahlen, dann mit 64 Jahren, wieder antreten. Politiker zu sein, sei ein schwierige­r Beruf. Pilz: „Seit ein paar Jahren habe ich das Gefühl, jetzt kann ich es.“Und er droht: „Ich bin noch voller Tatendrang.“

 ??  ?? Peter Pilz trinkt bei der Angelobung von Alexander Van der Bellen auf dem Heldenplat­z einen Schnaps auf jenen, flankiert von Generalsta­bschef Othmar Commenda und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er.
Peter Pilz trinkt bei der Angelobung von Alexander Van der Bellen auf dem Heldenplat­z einen Schnaps auf jenen, flankiert von Generalsta­bschef Othmar Commenda und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er.

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