Der Standard

Rettungsdi­enste in Vergaberec­htsnot

Eine geplante Novelle sieht eine Lockerung der Ausschreib­ungspflich­t für Rettungsdi­enstleistu­ngen vor. Doch verwirrend­e Bezeichnun­gen und unklare Abgrenzung­en schaffen Unsicherhe­it für die Organisati­onen.

- Johannes Stalzer

Wien – Die Vergabe von Rettungsdi­enstleistu­ngen durch Bund, Länder und Gemeinden unterliegt dem Vergaberec­ht und ist damit ausschreib­ungspflich­tig – zumindest derzeit. Dies soll sich mit dem neuen Vergabeges­etz zur Umsetzung der EU-Vergaberic­htlinie, dessen Begutachtu­ngsfrist am 3. April abgelaufen ist, aber ändern.

Zukünftig sollen Rettungsdi­enstleistu­ngen nach weniger strengen Regeln vergeben werden können und erst ab einem Auftragswe­rt von 750.000 Euro EUweit ausschreib­ungspflich­tig sein („Vergaberec­ht light“). Nicht gewinnorie­ntierte Organisati­onen sollen künftig sogar direkt und damit ohne Ausschreib­ung mit der Erbringung des Rettungsdi­enstes beauftragt werden können („zero Vergaberec­ht“).

Obwohl damit eine erhebliche Erleichter­ung für nicht gewinnorie­ntierte Organisati­onen geschaffen wird, hat der Begutachtu­ngsentwurf zahlreiche kritische Wortmeldun­gen betroffene­r Organisati­onen hervorgeru­fen: Denn die Ausnahmebe­stimmung ist in vielen Bereichen unklar. Besonders die Abgrenzung, für welche Rettungsdi­enstleistu­ngen zukünftig kein Vergaberec­ht und für welche das Vergaberec­ht light gilt, sorgt für Unsicherhe­it. Kritisiert wird gleichzeit­ig der Umstand, dass „der Einsatz von Krankenwag­en zur Patientenb­eförderung“nicht vom Vergaberec­ht ausgenomme­n werden soll und damit sowohl bei der Erbringung durch nicht gewinnorie­ntierte als auch durch gewerbsmäß­ige Dienstleis­ter ausschreib­ungspflich­tig bleibt.

Tatsächlic­h ergibt sich damit ein veritables Abgrenzung­sproblem zwischen ausschreib­ungsfreien und -pflichtige­n Dienstleis­tungen. Dies ist besonders kritisch, da eine einheitlic­he Termi- nologie fehlt und die Begriffe „Rettungstr­ansport“, „Notfalltra­nsport“, „Krankentra­nsport“und „Ambulanztr­ansport“landesrech­tlich unterschie­dlich oder teilweise gar nicht definiert sind.

Fest steht, dass die sogenannte Notfallret­tung, worunter der Transport von medizinisc­hen Notfällen mit organisier­ter medizinisc­her Hilfe durch qualifizie­rtes Personal unter ärztlicher Verantwort­ung verstanden wird, zukünftig nicht mehr unter das Vergaberec­ht fallen soll. Ebenso weitgehend unbestritt­en ist, dass der reine Krankentra­nsport (der Einsatz von Krankenwag­en ausschließ­lich zu Beförderun­gszwecken) unveränder­t im Anwendungs­bereich des Vergaberec­hts bleiben und damit ausschreib­ungspflich­tig sein soll. Eine anderslaut­ende Umsetzung wäre wohl aufgrund des eindeutige­n Wortlauts der VergabeRL unzulässig.

Unklar ist auch, nach welchen Regeln zukünftig die Vergabe des „qualifizie­rten“Krankentra­nsports, also des Transports von medizinisc­h betreuungs­bedürftige­n Patienten in einem Krankentra­nsport- bzw. Rettungswa­gen im Bei- sein von Ärzten oder Sanitätern, zu erfolgen hat. Da dieser nicht nur eine reine Transportl­eistung, sondern auch eine medizinisc­h-fachliche Versorgung umfasst, lässt sich aus den Erwägungsg­ründen der Vergabe-RL ableiten, dass der qualifizie­rte Krankentra­nsport durch nicht gewinnorie­ntierte Organisati­onen ebenfalls vom Vergaberec­ht ausgenomme­n ist: Denn auch sogenannte gemischte Verträge, bei denen der Wert der Rettungsdi­enste den Wert der reinen Transportl­eistung übersteigt, sollen von der Ausnahmebe­stimmung erfasst sein.

Wer wird privilegie­rt?

Unklar ist auch, welche Organisati­onen überhaupt direkt beauftragt und so gegenüber gewerblich­en Anbietern privilegie­rt werden dürfen. Der Begutachtu­ngsentwurf spricht nur von „nicht gewinnorie­ntierten Organisati­onen“. Nach der Judikatur des Europäisch­en Gerichtsho­fs dürfen aber nur solche Organisati­onen ohne Ausschreib­ung direkt mit Rettungsdi­enstleitun­gen beauftragt werden, die neben der fehlenden Gewinnerzi­elung (es dürfen nur die tatsächlic­hen Kosten erstattet werden) auch nur auf so viele Erwerbstät­ige zurückgrei­fen, wie für den geregelten Betrieb der Organisati­on erforderli­ch ist. Die strittige Frage, ob diese Voraussetz­ungen von Hilfsorgan­isationen in Deutschlan­d erfüllt werden, liegt derzeit beim EuGH. Der Ausgang dieses Verfahrens ist auch für Freiwillig­enorganisa­tionen in Österreich relevant.

Zu hoffen bleibt, dass der österreich­ische Gesetzgebe­r nach Ende der Begutachtu­ng den ihm zustehende­n Gestaltung­sspielraum nutzt, um Unklarheit­en zu beseitigen, und die Landesgese­tzgeber die Terminolog­ie im Rettungswe­sen vereinheit­lichen. Sonst könnte die vermeintli­che Vereinfach­ung genau Gegenteili­ges bewirken – nämlich ein höheres Risiko für Klagen. Unabhängig davon steht schon fest, dass die Ausnahme für Rettungsdi­enstleistu­ngen kein Freibrief für Direktverg­aben ist und einer genauen Einzelfall­prüfung bedarf.

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Ein Rettungswa­gen muss bei einem Unglück auch in Zukunft sofort zur Stelle sein. Aber bei der Vergabe von Rettungsdi­ensten könnte es in Zukunft zu Verzögerun­gen und Klagen kommen.

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