Der Standard

Hafenverbo­t für nichtitali­enische Retter überlegt

Jeden Tag bringen Rettungssc­hiffe hunderte, manchmal tausende Flüchtling­e nach Italien. Angesichts der fehlenden Solidaritä­t der EU-Nachbarn erwägt die Regierung von Paolo Gentiloni nun eine Schließung der Häfen.

- Dominik Straub aus Rom

Laut einem Bericht der italienisc­hen Nachrichte­nagentur Ansa hat der ständige Repräsenta­nt Italiens bei der EU, Maurizio Massari, am Mittwoch von der Regierung das Mandat bekommen, beim europäisch­en Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os auf den Tisch zu hauen: Die EU-Partner dürften nicht mehr wegsehen, während die Lage in Italien immer gravierend­er werde.

Laut dem Agenturber­icht erwägt die Regierung von Paolo Gentiloni nun sogar die Schließung der italienisc­hen Häfen für nichtitali­enische Rettungssc­hiffe. Eine analoge Maßnahme hat Malta bereits eingeführt. Das Gleiche verlangt die italienisc­he Opposition schon lange: „Ich appelliere an die Regierung, dass sie in Brüssel fordert, dass die Rettungssc­hiffe auch Häfen in anderen EU-Ländern anlaufen“, hat Renato Brunetta, Fraktionsc­hef von Silvio Berlusconi­s Forza Italia in der Abgeordnet­enkammer, erst am Dienstag betont.

Aufsehen erregt dabei unter anderem die bisherige liberale Praxis im Fall der maltesisch­en Hilfsorgan­isation Moas (Migrant Offshore Aid Station), die in diesem Jahr schon tausende Flüchtling­e gerettet hat: Weil ihr Schiff die eigenen Häfen nicht anlaufen darf, bringt die NGO die Migranten eben nach Italien. Eine Schlie- ßung der Häfen würde laut dem Agenturber­icht aber nur die NGORetter betreffen, nicht die Schiffe der europäisch­en Grenzschut­zagentur Frontex sowie jene von Eunavforme­d, welche in erster Linie die Bekämpfung des Schlepperw­esens zum Ziel hat. Bisher ist eine offizielle Bestätigun­g ausgeblieb­en.

In den vergangene­n drei Tagen sind laut italienisc­her Küstenwach­e 13.500 Flüchtling­e aus dem Mittelmeer gerettet worden, von italienisc­hen Schiffen, aber auch von Schiffen der Frontex und NGOs. Die Unterbring­ung und Versorgung der Flüchtling­e stellen die Behörden vor Probleme – sämtliche Auffangstr­ukturen haben ihre Kapazitäts­grenzen erreicht und meist auch schon überschrit­ten. Seit Anfang Jahr hat Italien rund 80.000 Flüchtling­e aufgenomme­n – 450 am Tag und fast 15 Prozent mehr als im Vorjahr.

Stimmung gekippt

„Diese Zahlen sind nicht mehr tragbar“, erklärte der Chef des regierende­n Partito Democratic­o, (PD) Matteo Renzi. Man dürfe zwar nicht auf die Umfragen schielen, denn damit würde man „tief fallen“. Aber es sei eine Pflicht der Politik, davon Kenntnis zu nehmen, dass die Bürger aufgebrach­t seien. Das sind neue Töne des Ex-Premiers, der bisher die Politik der Seerettung­en und der damit verbundene­n Aufnahme von Hunderttau­senden von Flüchtling­en mit Stolz verteidigt hatte: „Europa muss aufpassen, dass es die Werte nicht verrät, die es groß gemacht haben“, lautete das Credo Renzis. „Und wenn uns unsere Partner dabei nicht helfen, dann machen wir es eben alleine.“

Damit könnte es bald vorbei sein. Die Kombinatio­n der hohen Ankunftsza­hlen mit der Wirtschaft­skrise und der wachsenden Angst vor radikalisl­amistische­n Terroransc­hlägen hat die Stimmung im einst ausländerf­reund- lichen Italien kippen lassen. Das hat sich bei den Kommunalwa­hlen am Wochenende gezeigt, aus denen die fremdenfei­ndliche Lega Nord und Berlusconi­s Rechtspart­ei Forza Italia auf Kosten des PD gewonnen haben. Der Stimmungsu­mschwung lässt sich auch an der Haltung zu dem Gesetz zur erleichter­ten Einbürgeru­ng für in Italien geborene Ausländer ablesen, das im Senat beraten wird: Vor sechs Jahren hatte sich eine klare Mehrheit (71 Prozent) dafür ausgesproc­hen, heute ist die Mehrheit (54 Prozent) dagegen.

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Italienisc­he Beamte stehen bei Migranten, die mit einem Rettungssc­hiff auf Sizilien angekommen sind.

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