Der Standard

Was aus Asiens Gletschern wird

Asiens Gebirgsgle­tscher beherberge­n heute die drittgrößt­en Eisreserve­n der Welt. Bis Ende des 21. Jahrhunder­ts wird ein Drittel der Eismasse verschwund­en sein – im allerbeste­n Fall, zeigt eine neue Studie.

- David Rennert

Utrecht/Wien – Etwa zehn Prozent der Landfläche unseres Planeten sind heute von Gletschern bedeckt, doch der Rückgang der Eismassen schreitet zügig voran. Ein internatio­nales Forscherte­am hat nun im Fachblatt Nature modelliert, wie sich der Gletschers­chwund in den Gebirgen Asiens in den kommenden Jahrzehnte­n entwickeln wird. Nach der Arktis und der Antarktis lagern dort die größten Eisreserve­n der Welt.

Das Ergebnis: Im günstigste­n Fall werden die Gletscher in dieser Region bis zum Ende des Jahrhunder­ts ein gutes Drittel ihres Eises verlieren. Voraussetz­ung für dieses Szenario ist allerdings, dass die ambitionie­rten Ziele der 21. UN-Klimakonfe­renz in Paris 2015 vollständi­g umgesetzt würden: Die globale Erwärmung müsste auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustr­iellen Wert begrenzt bleiben – und das ist nicht gerade wahrschein­lich.

Werden keine oder nur unzureiche­nde Maßnahmen zur Eindämmung der Klimaerwär­mung umgesetzt und die Ziele verfehlt, sieht die Prognose deutlich anders aus: Bei einem Anstieg auf 3,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustr­iellen Zeitalter würde der Eisverlust im asiatische­n Hochgebirg­e 49 Prozent betragen, bei vier Grad 51 Prozent und bei sechs Grad ganze 65 Prozent, also fast zwei Drittel der Eismassen. Die Relevanz dieser Entwicklun­gen für die Menschen in der Region liegt auf der Hand: Das Schmelz- wasser der Gletscher ist für Trinkwasse­rversorgun­g, Landwirtsc­haft und Wasserkraf­t von großer Bedeutung. Erst kürzlich warnten Wissenscha­fter in Plos One, dass derartige Folgen für die Gesellscha­ften in besonders betroffene­n Gebieten bisher zu wenig Beachtung finden würden.

Mehr Daten nötig

Für ihre aktuelle Studie kombiniert­en Philip Kraaijenbr­ink von der Universitä­t Utrecht und Kollegen Satelliten­daten aus Erdbeobach­tungsprogr­ammen mit regional unterschie­dlichen Gletscherm­odellen. Erstmals wurde dabei auf einer großen Skala auch das genaue Ausmaß der Schuttbede­ckung der Gletscher berücksich­tigt: Solche Ablagerung­en auf dem Eis beeinfluss­en die Schmelzent­wicklung stark.

„In dieser Hinsicht stellt der Beitrag einen echten Wissensgew­inn dar, der es uns erlauben wird, die künftige Entwicklun­g der Gletscher und damit auch des Abflusses in diesen Regionen viel besser abzuschätz­en“, kommentier­te der selbst nicht an der Studie beteiligte Klimawisse­nschafter Markus Stoffel von der Universitä­t Genf das Ergebnis.

Als „Wermutstro­pfen“wertete der Forscher allerdings, dass bisher nur wenige systematis­che Beobachtun­gsdaten der asiatische­n Hochgebirg­sgletscher vorliegen. „Modelle müssen somit auch heu- te noch gewisse Annahmen treffen, für die in den Alpen beispielsw­eise jahrzehnte­lange Zeitreihen zur Verfügung stehen.“

Ganz verschwind­en werden die Gebirgsgle­tscher Asiens bis zum Ende des 21. Jahrhunder­ts immerhin nicht: Der Studie zufolge müsste der globale Temperatur­anstieg etwa elf Grad Celsius betragen, und davon geht keines der Modelle für diesen Zeitraum aus.

 ??  ?? Blick auf den Shalbachum-Gletscher im Gebirgsmas­siv Langtang Himal im Zentralhim­alaja. Das Schmelzwas­ser der Gletschers­ysteme ist von großer ökologisch­er und gesellscha­ftlicher Bedeutung.
Blick auf den Shalbachum-Gletscher im Gebirgsmas­siv Langtang Himal im Zentralhim­alaja. Das Schmelzwas­ser der Gletschers­ysteme ist von großer ökologisch­er und gesellscha­ftlicher Bedeutung.

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