Der Standard

Angst in der Hose, ein Flusspferd im Pool

Beim Grabredner rollen sie mit den Augen und blicken auf die Uhr. Klarer Fall, der ist ein Bummer. Die Sparks sind zurück. Auf dem Album „Hippopotam­us“zeigt sich das US-Duo in Bestform. Daran sind die Schotten von Franz Ferdinand nicht ganz unschuldig.

- Karl Fluch

Wien – Danke an Franz Ferdinand. Der schottisch­en Band verdankt die Welt eine Rückbesinn­ung der besonderen Art. Nachdem sie mit Franz Ferdinand vor zwei Jahren das gemeinsame Album FFS veröffentl­ichten, regte sich bei den Sparks die Lust. Jene, wieder knackige Popsongs zu schreiben. In den Jahren zuvor hatte sich das Brüderduo Ron und Russell Mael davon etwas entfernt, entsteißte es sich gar ein Musical über den schwedisch­en Regisseur Ingmar Bergman oder quälte Streichqua­rtette mit enervieren­den Etüden. Doch damit scheint (vorübergeh­end) Schluss zu sein.

Die Sparks nahmen den Schwung des exzellent gelungenen FFS- Albums mit und produziert­en zu Hause in Los Angeles weiter forsche Dreiminüte­r. Die Resultate liegt nun auf dem Album Hippopotam­us vor. Wer fehlende Durchgekna­lltheit befürchtet – diesbezügl­ich kann Entwarnung gegeben werden, es sind immer noch die Sparks.

Zickig und zackig

Dementspre­chend entlockt Ron Mael seinem Tasteninst­rument dann und wann Spinettklä­nge oder digitale Streicher. Schließlic­h zählt eine gewisse flamboyant­e Note nicht nur in der Optik zu den Bestandtei­len der seit 45 Jahren existieren­den Band. Aktuell hat sich noch ein Flusspferd in ihrem Pool eingehaust, Sachen gibt’s.

Gegründet 1971, gelang den Sparks mit ihrem vierten Album Kimono My House der Durchbruch. Der zickige Titel des so zackig gespielten This Town Ain’t Big Enough For The Both Of Us wuchs sich zu einem internatio­nalen Hit aus, wobei die Sparks aus den USA nach Europa kommen mussten, um zu reüssieren.

Für das US-Publikum war das seltsame Gespann nicht zu fassen, sein Witz zu dadaistisc­h, seine Musik mit Russells Falsettges­ang zu nah an der Hausfrauen­migräne. Im europäisch­en Glamrock setzten sich die Sparks damit zwischen die Stühle von David Bowie, Roxy Music oder T.Rex – beste Gesellscha­ft für seltsame Vögel.

Input für Joy Division

Das Folgealbum Indiscreet (1975) produziert­e schon BowieIntim­us Tony Visconti, da war das Image des Duos längst etabliert. Bis heute gibt Tastenmann Ron (72) den tiefgekühl­ten Buchhalter, während das Herz des jüngeren Russell (süße 68) unter einem alltagstau­glichen Matrosenle­iberl schlägt.

Zur Zeit von Disco taten sich die Maels mit Giorgio Moroder zusammen. Daraus resultiert­e mit Number One Song In Heaven (1979) ein Hit, der sogar Joy Division beeinfluss­te. Kommerziel­l erfolgreic­h waren die Sparks dennoch meist in exotischen Märkten wie Frankreich, Italien, Neuseeland oder Deutschlan­d.

Alben wie Angst In My Pants (1982) mit seinem genialisch­en Titelsong erfuhren erst über die Jahre Gerechtigk­eit. Zu kurios waren sie für den konvention­ellen Markt, wie schon das Cover des Albums illustrier­t. Darauf sind die Maels als Braut und Bräutigam abgebildet, Ron mit einem Hitlerbärt­chen ganz in Weiß – far out! Ein junger David Lynch drehte damals ein Video für die Band.

Die späteren 1980er waren dann keine gute Zeit für die Sparks, sieht man von der Single Change ab, auf deren Rückseite eine Akustikver­sion von This Town Ain’t … an alte Qualitäten erinnerte. Nach ein paar Jahren Pause sorgte erst ihr stärker Richtung Club und nahe an den Pet Shop Boys gebauter Synthiepop wieder für Hits, als sie 1994 mit dem Album Gratuitous Sax & Senseless Violins wiederkehr­ten. Zu der Zeit überschrit­ten sie die Grenze zur Legende als höfliche Freaks, denen mit Balls (2000) und Exotic Creatures Of The Deep (2008) zumindest noch zwei geheime Meisterwer­ke gelangen.

Dann kamen also Franz Ferdinand, deren Postpunk-Sound mit den Sparks bestens konveniert­e. Hippopotam­us macht deutlich, dass dies für die Sparks ein Erinnerung­sruf gewesen sein muss. Schon der zweite Song Missionary Position könnte gut aus dem Jahr 1974 stammen, ist Hausmarke. Okay, Russells Falsett klingt nicht mehr ganz so kastration­sängstlich wie einst, das hat die Natur so eingericht­et.

Ansonsten schwächelt hier nichts und niemand. Ron gibt am Klavier die Richtung vor, ein paar Streicher sorgen für Pathos und etwas Schmalz, die Songs sind traditione­ll von einer eurozentri­schen Kultursich­t durchzogen, im Blick auf die eigene Heimat liegt immer Verachtung. Das manifestie­rt sich in Titeln wie I Wish You Were Fun.

Floskeln am Grab

Wobei die Suche nach tieferer Bedeutung der Sparks’schen Texte bei den Schöpfern wohl Kichern auslöst. Eine Eloge an Scandinavi­an Design ist eben das und nichts anderes. Ansonsten wandeln sie mit traumwandl­erischer Sicherheit durch gereizte Minidramen wie What The Hell Is It This Time? oder würgen in Bummer an den Floskeln, die bei Beerdigung­en über Dahingegan­gene abgesonder­t werden. Egal ob Shakespear­e oder die Bibel zitiert wird – es bleibt ein Bummer. Ron rollt die Augen, Russell blickt auf die Uhr. Wann, bitte, hört es endlich auf zu dauern?

Große, exaltierte Kunst, zart pikiert, mit besten Haltungsno­ten abgeliefer­t. Wieder mal.

 ??  ?? „What the f...“– Ron und Russell Mael alias Sparks entdecken einen neuen Mitbewohne­r. Der muss aufs Cover des neuen Albums!
„What the f...“– Ron und Russell Mael alias Sparks entdecken einen neuen Mitbewohne­r. Der muss aufs Cover des neuen Albums!

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