Der Standard

Gefühle für die Welt am Abgrund

Zur Ausstellun­g „Dark Light“von Nicole Eisenman in der Wiener Secession

- Roman Gerold

– Die Malerin und Bildhaueri­n Nicole Eisenman ist berühmt für ihren Eklektizis­mus. Gewitzt „zappt“sich die US-Amerikaner­in (geb. 1965) durch die Kunstgesch­ichte, schuf eine an die Renaissanc­emalerei gemahnende Gruppensex­szene im Himmel ebenso wie sie sich die Bildwelten Picassos oder Otto Dix’ aneignete – um nur die wenigsten Beispiele zu nennen. Thematisch konsistent ging es Eisenman dabei etwa darum, Geschlecht­erverhältn­isse umzukehren, während sie leichtfüßi­g soziopolit­ische Fragen mit der eigenen Biografie kurzschloß.

Wer sich nun von Eisenmans Ausstellun­g in der Wiener Secession einen wilden, malerische­n Ritt que(e)r durch die Kunstgesch­ichte erwartet, könnte zunächst enttäuscht sein: Gerade drei Gemälde bilden den Kern ihrer Personale. Der Witz ist jedoch – und hierin bleibt die Secession dem Prinzip Konzentrat­ion treu – dass Betrachter bei diesen Gemälden in die Tiefe gehen können. Neben Archivmate­rialien der Künstlerin und einer Installati­on sind rund vierzig Zeichnunge­n zu sehen, die Einblicke in den Entstehung­sprozess der Gemälde geben. Nie zuvor habe sie ihre Skizzen öffentlich gemacht, sagt Eisenman.

Für Konsistenz sorgt die Aktualität der Arbeiten. Sie alle kreisen um ein Thema, dekliniere­n dieses durch verschiede­ne Stile: das Amerika unter Donald Trump. Unverkennb­ar ist das auf dem Gemälde Dark Light (2017), titelgeben­d für die Schau. Es zeigt prominent einen Mann mit rotem Baseballka­pperl. Den aufgedruck­ten Wahlkampfs­logan „Make America Great Again“denkt man sich dazu.

Auf einem Pick-up-Truck stehend, gibt der Gelbhäutig­e mit einer blau leuchtende­n Taschenlam­pe die Richtung vor, in die es ginge – jedenfalls wenn die Besatzung des Trucks nicht apathisch dahindämme­rte. Vielleicht führte die Fahrt aber auch nur geradewegs auf eine Ölspur: Schwärzlic­h rinnt in dieser rot-gelb-blauen Dystopie nämlich die Sonne vom Himmel.

Doch Vorsicht, nein, so direkt solle man ihre Bilder nicht lesen, sagt Eisenman. Diese „dunklen Lichter“, man könnte sie doch auch als Bild für die antiaufklä­rerische Haltung Trumps lesen. Ge- nerell wolle sie mehr eine sorgenvoll­e „Stimmung“vermitteln denn ein eindeutige­s Narrativ.

Offener für Interpreta­tionen ist da ein weiteres Gemälde über die „Welt am Abgrund“: Auf giftgelbem Wasser schippern zwei Boote auf einen Wasserfall zu. Erinnernd an Totentänze und an Darstellun­gen des „Narrenschi­ffs“, geht es für einen Flötisten und einen Trommler zu Ende, aber auch für einen Geschäftsm­ann, der einer Karikatur George Grosz’ entsprunge­n sein könnte. Eines der Boote ist übrigens ein riesiger „Kieferknoc­hen eines Esels (engl. ass)“, wie der Bildtitel verrät.

Lädt dieses Bild zu umfassende­rer Kontemplat­ion ein, so präsentier­t sich das dritte, Shooter (2016), ungleich direkter: Eine in geometrisc­he Strukturen aufgelöste Figur richtet eine Pistole auf den Betrachter. Beim Durchsehen der dazugehöri­gen Skizzen stellt man dann übrigens fest, dass Eisenman auch einmal erwog, statt einer Pistole den Penis eines Masturbier­enden ins Bild zu setzen. Subtil ist beides nicht zu nennen. Aber dem Trump’schen Amerika braucht man mit der feinen Klinge ja auch nicht kommen. Bis 5. 11.

 ??  ?? Hauptsache, der Gelbgesich­tige ist noch nicht von der Rauchwolke im Bild niedergeri­ssen: „Dark Light“(2017) von Nicole Eisenman. Wien
Hauptsache, der Gelbgesich­tige ist noch nicht von der Rauchwolke im Bild niedergeri­ssen: „Dark Light“(2017) von Nicole Eisenman. Wien

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