Der Standard

OGH stärkt Sportlern im Streit mit Verein den Rücken

Das Recht von Vereinsmit­gliedern auf statutenko­nformes Verfahren kann gerichtlic­h eingeklagt werden

- Sebastian Mahr

Wien – Österreich ist ein Land der Vereine, jede und jeder Zweite ist laut Statistik Mitglied in einem Verein. Vor allem Sportverei­ne stehen durch ihre Stars im Fokus der Aufmerksam­keit. Doch was passiert, wenn Mitglieder sich vom Vereinsman­agement übervortei­lt fühlen oder gar Funktionär­e anzeigen? Ein Streit zwischen einer Sportlerin und ihrem Verein ging durch alle Instanzen zum Obersten Gerichtsho­f. Das Ergebnis könnte Vereinsmit­gliedern Mut machen, stärker für ihre Rechte einzutrete­n.

Regelmäßig fördern und unterstütz­en Sportverei­ne ihre Mitglieder und sind oft selbst Mitglieder internatio­naler Verbände. Die Teilnahme an Wettbewerb­en, die von einem Verband veranstalt­et werden, ist in aller Regel an die Vereinsmit­gliedschaf­t gebunden, eine Karriere als Spitzenspo­rtler ohne Verein daher faktisch nicht möglich. Kommt es zu internen Auseinande­rsetzungen, können sich Sportler plötzlich mit der ganzen Macht des Vereins konfrontie­rt sehen. Damit auch in so einem Fall die Rechte der Mitglieder gewahrt bleiben, sieht § 8 Vereinsges­etz (VerG) zwingend die Einrichtun­g einer internen Schlichtun­gsstelle in den Vereinssta­tuten vor. Vor dieser sind „Streitigke­iten aus dem Vereinsver­hältnis“auszutrage­n, wobei sechs Monate nach deren Anrufung der Rechtsweg vor ein ordentlich­es Gericht offensteht. In der Praxis geraten Spitzenspo­rtler aber oft zwischen die Mühlen der unterschie­dlichsten Interessen. Öffentlich­e Streitigke­iten mit Vereinen, wie das etwa bei Anna Veith und Markus Rogan der Fall war, zeigen, wie schwierig das Verhältnis zwischen Spitzenspo­rt und Funktionär­sverein sein kann.

Interne Schlichtun­gsstelle

In der aktuellen Entscheidu­ng (OGH 21.9.2017, 7 Ob 51/17 a) hatte der Oberste Gerichtsho­f einen Fall zu beurteilen, in dem ein Mitglied eines Sportverei­ns die Vereinslei­tung vor der internen Schlichtun­gseinricht­ung anzeigte. Grund war eine langjährig­e Auseinande­rsetzung zwischen verschiede­nen Personen, aufgrund derer das Mitglied den dringenden Verdacht hatte, die Vereinslei­tung habe ihre Teilnahme an einer Sportveran­staltung unrechtmäß­ig verhindert. Als die Schlichtun­gseinricht­ung die Verfolgung gegen die Vereinslei­tung einstellte und die daraufhin angerufene­n Disziplina­ranwälte des Vereins eine Fortführun­g des Verfahrens ablehnten, wandte sich die Sportlerin an die ordentlich­en Gerichte, klagte den Verein und begehrte, dass die vereinsint­erne Entscheidu­ng über die Nichtfortf­ührung für unwirksam erklärt wird. Unter anderem bestand der begründete Verdacht, dass ein Richter der internen Schlichtun­gsstelle befangen war.

Bereits das Erstgerich­t gab der Klägerin Recht und erklärte einen Richter als befangen. Der beklagte Verein ging in die Berufung und zog bis vor den OGH. Dieser bestätigte die Vorinstanz­en. Der OGH stellt klar, dass jedes einzelne Vereinsmit­glied – unabhängig von einer finanziell­en Betroffenh­eit – Anspruch auf statuten- und rechtskonf­orme Entscheidu­ngen hat, weil ihm durch die Statuten subjektive Rechte eingeräumt werden, wie hier die Fortführun­g des Verfahrens. Weiters hält der OGH fest, dass auch die Untätigkei­t einer internen Schlichtun­gsstelle vor einem ordentlich­en Gericht bekämpft werden kann.

Als Faustregel gilt: Ist eine Entscheidu­ng eines Vereinsorg­ans rechtswidr­ig oder „sittenwidr­ig“oder werden grundlegen­de Verfahrens­regeln bei der Entscheidu­ngsfindung missachtet, ist die Unwirksamk­eit der Entscheidu­ng auf Antrag gerichtlic­h festzustel­len. Diesen Anspruch auf rechtskonf­ormes Vereinsver­halten hat jedes einzelne Mitglied, dem in gravierend­en Fällen daher eine Betroffenh­eit und somit Klagebefug­nis zugestande­n wird.

Die Entscheidu­ng erweitert den Schutz für Vereinsmit­glieder, die in Konflikt mit ihrem Verein geraten. Trotz der oftmals faktischen Übermacht der Vereine ist es möglich, sich zur Wehr zu setzen.

DR. SEBASTIAN MAHR ist Partner bei PHH Rechtsanwä­lte. Er hat mit seinem Team die genannte Sportlerin in dem Streit gegen ihren Verein vertreten. mahr@phh.at

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Foto: APA / Georg Hochmuth Auch Skistar Anna Veith lag mit ihrem Verein zeitweise im Streit.

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