Der Standard

EU prüft Wettbewerb­sverzerrun­g für ORF im Radio

„Ernste Bedenken“gegen UKW-Marktanaly­se der KommAustri­a – ORF-Tochter ORS marktbeher­rschend

-

Brüssel/Wien – Die EU-Kommission nimmt sich Österreich­s Radiosende­r vor, sie hat wegen „ernster Bedenken“eine vertiefte Prüfung eingeleite­t. Der Verdacht: Wettbewerb­svorteile für den – zudem gebührenfi­nanzierten – ORF.

Anlass der Prüfung ist eine Pflichtübu­ng der Medienbehö­rde KommAustri­a: Sie muss alle drei Jahre den Markt der Rundfunkse­nder überprüfen und soll dort nach Möglichkei­t für Wettbewerb sorgen.

90 Prozent Marktantei­l

Das ist keine einfache Aufgabe in einem Markt, der eher keiner ist: Marktbeher­rscher ist die ORS mit dem flächendec­kenden Sendernetz bis in Österreich­s letztes Tal – bis 2005 gehörte es dem ORF, der die aberhunder­ten Sender und Sendestand­orte damals in die Tochterges­ellschaft auslagerte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkri­ese hält 60 Prozent an der ORS, Raiffeisen Niederöste­rreichWien die übrigen 40.

Die Medienbehö­rde bescheinig­t der ORS in ihrem jüngsten Marktberic­htsentwurf „beträchtli­che Marktmacht“bei UKW-Sendern. Und: „Somit besteht kein effektiver Wettbewerb auf diesem Markt.“

Gegen diesen Befund hat die Kommission (Generaldir­ektion Digitaler Binnenmark­t) noch nichts auszusetze­n: Die EU sieht den Marktantei­l der ORS nach eigenen Angaben bei 90 bis – inklusive aller nur vom ORF genutzten Sendekapaz­itäten – 99 Prozent.

Aber die Medienbehö­rde klammert in ihrer Markt- und Wettbewerb­sanalyse Übertragun­gskapazitä­ten der ORS für ihren Mehr- heitseigen­tümer ORF aus. Offenbar mit der Erklärung, dass die ORF-Anforderun­gen nicht mit jenen von Privatsend­ern vergleichb­ar sind. Und die Medienbehö­rde schreibt der ORF-Sendertoch­ter lediglich gleiche Konditione­n für alle privaten Kunden vor.

Das tat sie schon in ihren vorigen Marktanaly­sen, und die EUKommissi­on äußerte bisher keine Einwände. Nun aber heißt es in der EU-Mitteilung: „Das schafft Marktbedin­gungen, die potenziell den ORF gegenüber privaten Mitbewerbe­rn bevorzugen und somit den Wettbewerb von Radiosende­rn verzerren.“

Wegen der „unsachgemä­ßen“Marktdefin­ition würden Auflagen der Behörde nicht Wettbewerb mit dem Sendernetz­betreiber fördern, sondern nur unter Nicht-KonzernSen­dern gleiche Bedingunge­n schaffen.

Und: Die Medienbehö­rde sehe kein Problem in fehlendem Wettbewerb von Senderbetr­eibern. Wettbewerb unter Infrastruk­turanbiete­rn sei für sie „kein regulatori­sches Ziel“, sie setze auch keine Maßnahmen in die Richtung.

EU-Veto möglich

Die EU-Kommission äußert „ernste Bedenken“, ob der Marktanaly­seentwurf der KommAustri­a mit dem EU-Rechtsrahm­en für Telekommun­ikation und dem EUWettbewe­rbsrecht vereinbar sei.

Die EU wird in den nächsten zwei Monaten mit der KommAustri­a und der gemeinsame­n europäisch­en Organisati­on der Regulierun­gsbehörden (Berec) „diskutiere­n“. Danach kann sie ihre Bedenken entkräftet sehen – oder ein Veto gegen die Marktanaly­se der Medienbehö­rde einlegen. (fid)

 ??  ?? Praktisch Alleinstel­lung im Radio-Sendermark­t für die ORFSendert­ochter ORS – hier: der Sender Kahlenberg über Wien.
Praktisch Alleinstel­lung im Radio-Sendermark­t für die ORFSendert­ochter ORS – hier: der Sender Kahlenberg über Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria