Zeitreise durch die Identität des Landes
Die Österreichische Nationalbibliothek feiert mit „Schatzkammer des Wissens“650 Jahre ihres Bestehens
Wien – Die heute anlaufende Ausstellung zum 650-Jahr-Jubiläum der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) führt nicht nur an deren historische Anfänge: Das Evangeliar des Johannes von Troppau, 1368 gefertigt und allererstes bis heute im Bestand befindliches Werk, gilt als ihr Gründungskodex. Auch elf weitere Trouvaillen sind konservatorisch so empfindlich, dass sie nur für kurze Zeit gezeigt werden können. Darunter eine ägyptische Papyrusurkunde aus dem 2. Jahrhundert, die Originalhandschrift von Mozarts Requiem (1791) oder das Aquarell Bengalischer Tiger aus der Menagerie in Schönbrunn (um 1799) des Hofbotanikmalers Matthias Schmutzer.
Diese „Objekte des Monats“auch abseits von Schriften und Drucken beweisen die Breite des Bestands. Dessen suchte der Niederländer Hugo Blotius, der erste Hofbibliothekar der damals noch Privatsammlung, 1575 erstmals mit einem alphabetischen Register Herr zu werden. Gerard van Swieten brachte später moderne Systematik in die Aufstellung, Sohn Gottfried installierte 1780 den ältesten Zettelkatalog der Welt (1,3 Millionen Zettel).
Die Infos zu den Stationen der Schau Schatzkammer des Wissens sind knapp und anregend. Ab dem Spätmittelalter ist das Interesse an Welt- und Weltallkarten dokumentiert. Die Zeitreise durch die Geschichte der ÖNB ist für Generaldirektorin Johanna Rachinger auch eine durch jene Österreichs.
Alle Krisen nachvollziehbar
Denn die ÖNB sei als „Kultureinrichtung aufs Engste mit der politischen Geschichte des Landes verknüpft“. Hat sie doch den Wandel von der Herrscherbibliothek über die Öffnung für den wissenschaftlichen Gebrauch hin zur republikanischen Nationalbibliothek mitgemacht. „Dieser Weg zeichnet alle Bruchlinien und Krisen der österreichischen Identität nach.“Auch der Nationalsozialismus fehlt als Schaukasten nicht.
1723–1730 entstand der heutige Bau mit dem Prunksaal. Realisierte und gescheiterte Erweiterungen – wie die futuristische Zentralbibliothek in den 1930ern – passen thematisch zur Besinnung der Schau auf die Grundlagen der ÖNB in einem zweiten Sinn: den Auftrag zu sammeln, zu verwahren und zugänglich zu machen. Führungen bieten da Vertiefung.
Mit dem neuen, ersehnten Tiefspeicher rechnet Rachinger übrigens nicht so bald. Solange die Parlamentspavillons auf dem Heldenplatz stehen, dürfe dort nicht gebaut werden. Danach werde das Thema „sicher wieder relevant“. Man behilft sich mit Einmietung in Magazinen. (wurm) Bis 13. 1. 2019