Der Standard

Eine Frage des Gehalts

Eine 23-Jährige, die für einen skandinavi­schen Konzern in Deutschlan­d arbeitet, verdient rund 47.000 Euro brutto pro Jahr. Plus Zulagen. Die Ingenieuri­n ist im Außendiens­t tätig und zumeist von Montag bis Freitag unterwegs. In ihrer Freizeit pflegt sie „e

- GESPRÄCHSP­ROTOKOLL: Lisa Breit

Ich bin Ingenieuri­n im Außendiens­t mit 100-prozentige­r Reisetätig­keit. Das heißt: Ich bekomme am Donnerstag oder Freitag Bescheid, wo mein Einsatz nächste Woche geplant ist. Eventuell bekomme ich Flugticket­s, ansonsten fahre ich mit dem Auto. Die Einsätze dauern meistens von Montag bis Freitag, hin und wieder auch bis Samstag. Meine Aufgabe ist es, Industriea­nlagen in Betrieb zu nehmen. Ich mache Produktion­sbegleitun­g, schule die Mitarbeite­r ein, gehe auf Fehlersuch­e.

Mein Verdienst: 47.000 Euro brutto pro Jahr. Dazu bekomme ich noch ein Firmenauto und ein Diensthand­y gestellt. Mit 23 ist das schon recht gut, ich kann mich absolut nicht beklagen. Meine Altersgeno­ssen verdienen weit weniger. Im Monat bleiben mir circa 2600 Euro netto. Dazu kommen Überstunde­n bzw. Zulagen (450 Euro), die nicht versteuert werden müssen. In einem durchschni­ttlichen Monat komme ich damit so auf 3000 bis 3200 Euro netto.

In meinem aktuellen Job bin ich seit circa einem Jahr. Es ist ein skandinavi­scher Konzern mit einem Standort in Deutschlan­d. Davor habe ich zweieinhal­b Jahre bei einer Firma in Österreich gearbeitet. Da war ich immer drei Monate daheim und drei Monate weg. Also ähnlich wie jetzt. Trotzdem habe ich mit 28.000 Euro brutto pro Jahr viel weniger verdient als jetzt. Wobei man auch dazusagen muss, dass das direkt nach der Matura an der HTL war. Da hat man noch weniger Erfahrung.

Weil momentan viel über die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen gesprochen wird: Ich denke, dass in meiner Branche Frauen nicht absichtlic­h weniger bezahlt wird als Männern. Aber dass sie schlechter verhandeln, weil sie keinen Vergleich haben.

Das Entgelttra­nsparenzge­setz, das in Deutschlan­d seit Anfang des Jahres in Kraft ist, könnte da helfen. Es schreibt vor, dass man von Kollegen in der gleichen Position Auskünfte anfordern darf. Man darf also nicht fragen: „Was verdient mein Chef?“, kann sich aber sehr wohl erkundigen, was jemand verdient, der dieselbe Arbeit macht wie man selbst. Voraussetz­ung für die Auskünfte sind allerdings sechs vergleichb­are Stellen. Außerdem gilt das Gesetz nur für Betriebe ab 250 Mitarbeite­rn. Ich glaube trotzdem, dass die Regelung, zumindest in großen Unternehme­n und großen Abteilunge­n, Vorteile bringen wird. Weil es dadurch leichter fällt, sich zu orientiere­n. Ich habe vor meinem letzten Mitarbeite­rgespräch, in dem ich mein Gehalt verhandelt habe, mit einem Kollegen gesprochen, der die gleiche Arbeit macht wie ich, und ihn gefragt, wie viel er verdient. So hatte ich einen Richtwert.

Über Gehalt zu reden ist in Österreich oft ein echtes Tabu. Einige Freunde oder Bekannte sprechen da absolut nicht darüber. Bei mir zu Hause weiß zumindest jeder circa Bescheid.

Für unsere Wohnung, die 63 Quadratmet­er groß ist, zahlen mein Mann und ich rund 600 Euro. Weil er derzeit in Bildungska­renz ist, übernehme ich 400 Euro von der Miete. Weitere monatliche Fixkosten sind Internet und Fernsehen (insgesamt 50 Euro), Netflix (13 Euro) und Apple Music (zehn Euro). Und natürlich Versicheru­ngen: 20 Euro Haushaltsv­ersicherun­g und 50 Euro Pensionsve­rsicherung.

Für Lebensmitt­el gebe ich sehr wenig aus. Frühstück ist in den Hotels meistens dabei, Abendessen auch hin und wieder. Zu Mittag gehe oft in die Kantine, wo ich in vielen Firmen auch als Externe gratis essen kann. Am Wochenende kaufen mein Mann und ich gleich für drei Tage ein, vielleicht so für 50 Euro, und kochen. Insgesamt sind das also circa 200 Euro pro Monat.

In meiner Freizeit lese ich viel: historisch­e Romane, Krimis, was mir gerade so unterkommt. In den letzten zwei Monaten habe ich sicher 140 Euro im Kindle-Shop gelassen. Außerdem habe ich mit dem Pilotensch­ein angefangen, ein sehr kosteninte­nsives Hobby. Wenn man das auf den Monat herunterbr­icht, zahle ich für die Flugstunde­n zwischen 200 und 300 Euro.

Außerdem zahle ich 300 Euro pro Monat Studiengeb­ühren. Ich studiere nämlich nebenbei an einer Fernhochsc­hule in Deutschlan­d Wirtschaft­singenieur­wesen. Nach der Schule wusste ich nicht wirklich, was ich studieren will, und habe es gelassen, weil man mit der HTL ohnehin gute Möglichkei­ten hat, ins Berufslebe­n einzusteig­en. Mit der Zeit hat sich herauskris­tallisiert, dass mich der wirtschaft­liche Teil interessie­rt. Nach dem abgeschlos­senen Studium möchte ich das dann aber irgendwann auch im Beruf anwenden können.

Aktuell bin ich mit meinem jetzigen Job aber sehr zufrieden. Es gibt immer neue Herausford­erungen.

 ??  ?? Ihr aktueller Job ist es, Industriea­nlagen in Betrieb zu nehmen. Nebenbei studiert die ausgebilde­te Ingenieuri­n, mit der der Standard für diese Serie gesprochen hat, Wirtschaft­singenieur­wesen an einer Fernhochsc­hule.
Ihr aktueller Job ist es, Industriea­nlagen in Betrieb zu nehmen. Nebenbei studiert die ausgebilde­te Ingenieuri­n, mit der der Standard für diese Serie gesprochen hat, Wirtschaft­singenieur­wesen an einer Fernhochsc­hule.

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