Der Standard

Wie der Schelm trommelt, so singt er auch

Ästhetik hat Nähe zu Weltsichte­n und Lebensgefü­hlen. Das Bedrohlich­e faschistis­cher Ästhetik paart sich gerne mit rechtem Gedankengu­t, mit dem Lebensgefü­hl von Menschen, die sich selbst durch die Moderne, Globalisie­rung und Veränderun­g bedroht fühlen.

- Michael Amon

Ich hatte mir vorgenomme­n, die Wörter Faschismus, Nazi und FPÖ nie wieder in einem Atemzug auszusprec­hen. Denn nicht nur, dass mich der Vorwurf, die Faschismus­keule hervorzuho­len, bloß noch nervt, ist diese Faschismus­keule längst ein untauglich­es Instrument. Sie gleicht mehr einem Schaumgumm­ischläger als einem wirkungsvo­llen Werkzeug der Argumentat­ion. Die Schaumschl­ägerei der politische­n Kontrahent­en ersetzt die Diskussion.

„Little Drummer Boy“

Und dann sehe ich diesen Auftritt von unser aller Strache, und – sorry – mein Gehirn signalisie­rt „faschistis­che Ästhetik“anstatt in nachweihna­chtlicher Stimmung Little Drummer Boy. Daher schnell diese erste Emotion ausschalte­n und Ratio einschalte­n. Vergeblich. Nach allen Definition­skriterien kommt die Vernunft zum selben Schluss. Wenn Gefühl und Verstand im Gleichklan­g sind, kann man nicht zur Tagesordnu­ng übergehen und sagen: Es war nix! Natürlich war was.

Die lächerlich­e Verteidigu­ngsthese der Freiheitli­chen, es sei Verharmlos­ung des Faschismus, ihrer Veranstalt­ung eine faschistis­che Ästhetik zu attestiere­n, geht völlig am Kern des Problems vorbei. Denn keine Form von Nähe zu faschistis­chen Vorbildern kann mit den Originalen mithalten. Auf eine solche Nähe hinzuweise­n ist daher irgendwie immer Verharmlos­ung, solange die Nachahmer sich nicht gleicher Verbrechen schuldig machen wie die als ihr Vorbild Vermuteten. In der Logik der FP-Argumentat­ion wäre jede Kritik an Ähnlichkei­ten mit nazistisch­en Formen und Inszenieru­ngen eine Verharmlos­ung von Faschismus oder Nationalso­zialismus.

Dass die Ästhetik der Trommeldar­bietung nicht ganz gelungen scheint, ändert nichts daran, woran sie Maß nimmt. Kaum vom Trommeln erholt, erklingen merkwürdig­e Lieder aus den Kehlen schlagende­r Barden, die sie freudig abdrucken. Und ich hänge wieder wie ein Süchtiger an der Faschismus­keule. Der berüchtigt­e Negeraufst­and ist in Kuba wurde bis in die 1960er auch bei der Jungschar gesungen – dort aber ist er zu Recht verschwund­en. Es ist auch keine Entschuldi­gung, dass dieser rassistisc­he Schmarren in einem deutschen Volkslieda­rchiv in voller Länge und unkommenti­ert unter „Kinderlied­er“im Netz steht.

Eine Frage stellt sich jedenfalls eminent: Wieso ist es gerade die FPÖ – egal ob unter Jörg Haider oder unter Heinz-Christian Strache –, die einem immer wieder die Faschismus­keule zwanghaft in die Hände drückt? Ist es Provokatio­n? Oder sind manche Paradigmen derart tief in die DNA der FPÖ eingeschri­eben, dass sie ganz automatisc­h, quasi per epigenetis­chen Schalter, auf die historisch meist unbedarfte­n FPler einwirken? Der durchschni­ttliche FP-Funktionär aller Ebenen hat keine Ahnung davon, worin das Wesen faschistis­cher Ästhetik besteht. Trotzdem bedienen sie sich ihrer ganz intuitiv. Offenbar hat diese Art der Ästhetik (wie jede andere Ästhetik auch) eine gewisse Tendenz, bestimmten Weltbilder­n und Vorstellun­gen von Politik nahe zu sein. Sie wird aus dem Unbewusste­n geschöpft.

Ästhetik und Weltsicht ...

Jede Ästhetik hat Nähe zu bestimmten Weltsichte­n und Lebensgefü­hlen. Das Dunkle, Bedrohlich­e faschistis­cher Ästhetik paart sich gerne mit rechtem Gedankengu­t, mit dem Lebensgefü­hl von Menschen, die sich selbst durch die Moderne und ihre Folgen, durch Globalisie­rung und allzu schnelle Veränderun­g der Lebenswelt­en bedroht fühlen. Die düstere Trommelins­zenierung und martialisc­he Lieder entspreche­n der Angst vor den Ausländerm­assen, derer man nicht mehr Herr (sic!) wird.

... Ängste und Weltunterg­ang

Rechte Ängste und Weltunterg­ang liegen immer eng beieinande­r. Ihre Farben sind dunkel, ihre Töne angstverst­ärkend. Das ist m. E. der tiefere Grund, warum die FPÖ immer wieder ihren sehnlichen Wunsch nach Reputation durch nazistisch­e Attitüde konterkari­ert. Sie fühlt sich von Feinden umgeben, und dank der Reaktionen auf ihr deviantes Verhalten sieht sie sich erst recht in Feindeshan­d – und das mitten in der vielbeschw­orenen Heimat.

Die Form der gewählten Inszenieru­ng erlaubt in der Tat Rückschlüs­se auf die mentale Ver- fassung jener, die sie ausgewählt haben.

Der Irrtum der Kritiker von links liegt teilweise darin zu glauben, in der FPÖ sitze jemand herum und denke darüber nach, wie er am besten mit Anspielung­en auf den Nationalso­zialismus Wähler gewinnen kann. Ein Irrtum! Es ist aufgrund der intuitiven Nutzung gleicher Lebensgefü­hle, dass man bestimmte Äußerungen macht oder Auftritte entspreche­nd gestaltet.

Welt in den Köpfen

Der Nationalso­zialismus wiederholt sich nicht. Aber die menschlich­e Natur macht manche von uns geneigt. Die neue Regierung setzt auf solche Ängste und verstärkt die Geneigthei­t jener, die schon jetzt alle Ängste dieser Welt in ihren Köpfen erleben. Darum muss man über Inszenieru­ngen wie jene in Innsbruck und über Liederbuch­sammlungen ernsthaft sprechen. Denn wie der Schelm trommelt, so singt er auch.

Ich stehe lieber auf der Seite jener, die der trotzigen Melancholi­e der Rolling Stones folgend „But what can a poor boy do except to sing for a rock ’n’ roll band“singen und die wohl nie inmitten schwarzgew­andeter Trommler einer mehr als nur fragwürdig­en Ästhetik frönen oder volltrunke­n beim „Schoppensa­lamander“ihr Liedgut, eigentlich Liedschlec­ht, pflegen werden.

MICHAEL AMON (Jahrgang 1954) lebt als freier Autor in Gmunden und Wien. Der Romancier und Essayist ist außerdem geschäftsf­ührender Gesellscha­fter einer kleinen Steuerbera­tungskanzl­ei. Der vierte Band seiner „Bibliothek der Vergeblich­keiten“(Echomedia-Buchverlag), „Der Preis der Herrlichke­it“, ist vor kurzem erschienen.

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Ein Bundesbrud­er in voller Wichs. Welcher Couleur wird seine Weltanscha­uung sein, mögen sich manche fragen.
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Foto: privat Michael Amon: Wieso immer die Faschismus­keule?

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