Der Standard

Erst Minister, und was dann?

- Eric Frey

Verfassung­srichter in Österreich zu sein – und das ist internatio­nal höchst unüblich – ist ein Teilzeitjo­b. Zahlreiche Höchstrich­ter haben daneben gutgehende Anwaltskan­zleien, was immer wieder zu Interessen­konflikten führen kann.

Aber die Kritik an Wolfgang Brandstett­ers Berufung in den Verfassung­sgerichtsh­of entzündet sich nicht an seiner Arbeit als Strafverte­idiger, sondern an seinem bisherigen Job als Justizmini­ster. Niemand soll direkt von der Regierung in ein Höchstrich­teramt wechseln, so die Forderung.

Nun gibt es am VfGH eine Wartefrist für Expolitike­r, aber nur für den Präsidente­n- und Stellvertr­eterposten. Das mag aus optischen Gründen berechtigt sein. Aber warum ein bisheriger Minister Verfassung­sfragen nicht genauso objektiv und unabhängig beurteilen kann wie ein Rechtsprof­essor, ein Spitzenbea­mter oder ein Wirtschaft­sanwalt, können die Kritiker nicht sagen. Gibt es den Verdacht der Befangenhe­it, etwa weil ein unter ihm entstanden­es Gesetz geprüft wird, muss er sich ohnehin der Stimme enthalten. Und eine solche Unvereinba­rkeit kann auch nach einer mehrjährig­en Abkühlphas­e auftreten.

Wer aus einem Regierungs­amt ausscheide­t und einen neuen Job antritt – ob im Privatsekt­or oder im Staatsdien­st –, ist immer öfter medialer Kritik ausgesetzt. Natürlich wäre es am saubersten, wenn Minister weder davor noch danach sensible Posten bekleiden. Doch dann würde man kaum noch qualifizie­rte Personen für die Politik finden.

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