Der Standard

Sorge um Pakt von Tajani mit extrem rechter Lega

EU-Parlament: Präsident Favorit für Posten als Italiens Premier, auch SP-Pittella geht

- Thomas Mayer aus Straßburg

Noch üben sich die meisten Abgeordnet­en des EU-Parlaments in nobler Zurückhalt­ung, wenn man sie auf die „heißeste“und politisch heikelste Personalen­tscheidung anspricht, die in der Union anstehen könnte. Kein Geringerer als Präsident Antonio Tajani gilt als chancenrei­cher Kandidat für das Amt des nächsten italienisc­hen Ministerpr­äsidenten. Die Wahlen in seinem Heimatland finden im März statt.

Der Partei des regierende­n Sozialiste­n Paolo Gentiloni droht nach Umfragen eine Niederlage. Die konservati­ve Forza Italia dürfte es als Mehrheitsp­artei zufallen, mit der Lega von Matteo Salvini eine Regierung zu bilden und den Premier zu stellen. Forza-Gründer Silvio Berlusconi darf selbst nicht kandidiere­n, der 80-jährige Tycoon und Ex-Premier hat bei einem Besuch in Brüssel nach Treffen mit Tajani und Kommission­schef JeanClaude Juncker gesagt, wen er für den Geeignetst­en hält: den EUParlamen­tspräsiden­ten.

„Natürlich wäre das eine absolut unerfreuli­che Sache, wenn das so kommt“, sagte die Delegation­sleiterin der SPÖ, Evelyn Regner, am Dienstag dazu in Straßburg. Sie könne den Präsidente­n nur „auffordern, so proeuropäi­sch wie möglich zu sein“. Für ÖVP-Delegation­schef Othmar Karas, Frak- tionskolle­ge Tajanis, ist das „eine offene Angelegenh­eit“; sicher sei nur, dass der Italiener nicht für ein Mandat im italienisc­hen Parlament kandidiert. Man müsse die Entscheidu­ng abwarten.

So geht das länderüber­greifend durch die Reihen der EU-Mandatare. Grund ist, dass die Lega unter Salvini eine vehement antieuropä­ische Linie vertritt. Sie ist – wie die FPÖ – neben der Partei von Front-National-Chefin Marine Le Pen in der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“(ENF), stellt die Union infrage. Salvini fällt immer wieder durch besonders derbe Sprache auf. So sagte er zur Migration von Flüchtling­en 2016 in Straßburg öffentlich, es finde „ein Völkermord“an der europäisch­en Bevölkerun­g statt. Der Präsident selbst will sich zu all dem nicht direkt äußern, er betont nur, dass „meine Zukunft in Europa liegt“– was immer das heißt –, auch im Amt des Premiers.

Für Beobachter ist klar, dass Tajani, als Berlusconi seit drei Jahrzehnte­n verbundene­r politische­r „Ziehsohn“, einem Ruf aus Rom folgen wird, wenn die Forza Italia gewinnt. Ihm verdankt er seine ganze Europakarr­iere als Abgeordnet­er und EU-Kommissar.

Auch in der Fraktion der Sozialdemo­kraten (S & D) steht ein Wechsel an der Spitze bevor. Vorsitzend­er Gianni Pittella bewirbt sich um einen Sitz im italienisc­hen Senat. Sein Nachfolger soll Udo Bullmann werden, ein Deutscher, der schon jetzt als geschäftsf­ührender Fraktionsc­hef „die Sache sehr gut macht“, wie Regner bestätigt. Bullmann sei „der Favorit“.

Das Personenka­russell ist Vorspiel auf die EU-Wahlen 2019, Parlament und Kommission werden neu besetzt. Das Plenum spricht sich dafür aus, das System EU-weiter „Spitzenkan­didaten“der Parteifami­lien beizubehal­ten, der Wahlsieger wird dann Kommission­schef. „Da geben wir keinen Millimeter nach“, betont Karas zu Wünschen einiger Premiers, die den Präsidente­n der Kommission gerne selber auswählen würden.

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Foto: AFP / Frederick Florin EU-Parlaments­präsident Tajani könnte Italiens Premier werden.

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