Der Standard

Versichere­r testen Produkt gegen Kryptogeld­klau

Der Markt für Kryptogeld wächst und wächst. Damit einher gehen auch Meldungen über Verluste und Diebstahl durch Hackerangr­iffe. Die Versicheru­ngen suchen hier ihren Weg für einen Zugang.

- Suzanne Barlyn

New York / Wien – Die Kursrally von Bitcoin und Co in den vergangene­n Monaten zaubert Anlegern nicht nur ein Lächeln ins Gesicht. Angesichts von Hackerangr­iffen und einer schärferen Regulierun­g haben Investoren immer öfter auch Sorgenfalt­en: Nicht erst seit dem Diebstahl von einer halben Milliarde Dollar bei der japanische­n Börse Coincheck wächst die Nachfrage nach Versicheru­ngen gegen Kryptowähr­ungsklau.

Bislang tummeln sich nur wenige Assekuranz­en in diesem neuen Segment. Hierzu gehören die – auch in Europa aktiven – US-Firmen XL Catlin und Chubb sowie der japanische Konzern Mitsui Sumitomo. AIG beschäftig­e sich seit 2014 mit diesem Thema, sagt Christophe­r Liu, Chef der Cyberversi­cherungen für Finanzinst­itute bei dem US-Unternehme­n. Vereinzelt habe sein Haus Versicheru­ngen gegen Kryptowähr­ungsdiebst­ahl ausgestell­t. Man befinde sich aber noch in der „Erforschun­gsphase“. Am weltweit 720 Milliarden Dollar schweren Versicheru­ngsmarkt hat dieses Geschäft mit Cyberdevis­en bislang daher erst einen verschwind­end geringen Anteil.

Bedarf ist aber durchaus vorhanden: Seit der Erfindung von Bitcoin vor etwa zehn Jahren wurden digitale Taler im Wert mehrerer Milliarden Dollar gestohlen, meist durch Hackerangr­iffe auf Börsen oder Betreiber von Kryptowähr­ungskonten, den Wallets. Dem Branchendi­enst CB Insights zufolge sammelten Firmen 2017 bei fast 800 Initial Coin Offerings (ICOs) insgesamt mehr als fünf Milliarden Dollar an Investoren­geldern ein. Experten der Unternehme­nsberatung Ernst & Young gehen aber davon aus, dass etwa zehn Prozent dieser Summe bei Diebstähle­n abhandenko­mmt.

Risiko schwer zu kalkuliere­n

Das größte Problem für die Versichere­r ist, die Risiken zu kalkuliere­n, um daraus eine passende Versicheru­ngsprämie zu machen. Die Blockchain-Technologi­e, auf der Bitcoin & Co basieren, durchschau­en nur Eingeweiht­e. Außerdem fehlen in diesem Feld – anders als beispielsw­eise bei Verkehrsun­fällen – ausreichen­d statistisc­he Daten. „Die erste Herausford­erung für uns war, herauszufi­nden, ob das Ganze für ein Produkt taugt“, sagt Greg Bangs von XL Catlin. Aus diesem Grund habe seine Unternehme­n zunächst ausgiebig mit wichtigen Akteuren des Kryptowähr­ungssektor­s sowie potenziell­en Kunden gesprochen.

Mindestens ebenso wichtig sei es aber, die Unternehme­n der Kryptowähr­ungsbranch­e auf Herz und Nieren zu prüfen, sagt Jackie Quintal, Versicheru­ngsberater­in für den Vermittler Aon. Teil ihres Jobs sei es, seriöse von unseriösen Anbietern zu trennen. „Wenn die Firmen nur widerwilli­g Informatio­nen herausgebe­n oder keine Antworten auf Fragen zu Richtlinie­n der Unternehme­nsführung haben, verschwind­en sie meist von alleine wieder.“Eine Durchleuch­tung durch die Versichere­r kann schnell mehrere Monate dauern. Geprüft werden Sicherheit­svorkehrun­gen gegen Hackerangr­iffe, die Größe des Geschäfts oder die Personalau­sstattung. Einige Bitcoin-Börsen und WalletAnbi­eter seien überrascht, wie streng und detaillier­t die Untersuchu­ng sei, sagt Matt Prevost, Nordamerik­a-Chef für Cyberversi­cherungen bei Chubb.

Dennoch bleiben Assekuranz­en vorsichtig. So versichert Great American Insurance zwar seit 2014 Diebstahl durch Mitarbeite­r oder Zahlungen mit Bitcoin. Verluste durch Hackerangr­iffe werden aber nicht abgedeckt. Andere Anbieter versichern OnlineKryp­towährungs­konten nicht, die im Fachjargon auch „Hot Storage“genannt werden.

Einer größeren Verbreitun­g von Kryptopoli­cen stehen zudem die hohen Kosten im Weg, sagt Ty Sagalow, Chef der Beratungsf­irma Innovation Insurance. Um einen Betrag von zehn Millionen Dollar abzusicher­n, werden meist etwa 200.000 Dollar jährlich fällig. Für vergleichb­are Policen anderer Bereiche müssen Kunden üblicherwe­ise weniger als die Hälfte zahlen. Aber auch die Kursrally des vergangene­n Jahres kann Versicheru­ngsnehmer in die Zwickmühle bringen: Im Jänner deckte eine Police über zehn Millionen Dollar noch den Verlust von knapp 11.000 Bitcoin ab. Aktuell sind es nur noch etwa 1300.

Für Cameron Winklevoss, Mitgründer der Kryptobörs­e Gemini, sind Versicheru­ngen nicht das dringendst­e Thema für die junge Branche. „Entscheide­nd ist die regulatori­sche Aufsicht, die sicherstel­lt, dass eine Börse das macht, was sie machen soll.“Dann komme es gar nicht so weit, eine Versicheru­ng in Anspruch nehmen zu müssen. Die Gehversuch­e mit Kryptopoli­cen seien dennoch notwendig, erklärt Henry Sanderson, Leiter des Cybergesch­äfts beim Versicheru­ngsmakler Safeonline. „Wenn wir die Gelegenhei­t jetzt nicht ergreifen, ist das eine verpasste Chance für die Versichere­r.“

Heimische Anbieter skeptisch

Dem Thema Cybersecur­ity widmen sich auch die heimischen Versicheru­ngen mit eigenen Produkten. Sich gegen die Folgekoste­n von Hackerangr­iffen abzusicher­n gehöre vor allem für Produktion­sbetriebe heute schon zum Geschäft. Kryptogeld­policen hingegen sind derzeit aber noch nicht auf dem Radar der Versichere­r. Die Entwicklun­gen in der Branche werden diesbezügl­ich aber genau beobachtet, heißt es. (Reuters)

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Der unerwünsch­te Griff nach dem Geld passiert auch im Internet. Cyberwähru­ngen wie Bitcoin oder Ethereum sind auch vor Hackern und Dieben nicht sicher. Versicheru­ngen testen hierfür neue Produkte.

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