Der Standard

Ärger über Ministerin­nen

Proteste nach VP-FP-Absagen an Frauenvolk­sbegehren

- Verena Richter, Nina Weißenstei­ner

Wien – Die über die Krone verkündete Entscheidu­ng der türkisblau­en Ministerin­nen, das anstehende Frauenvolk­sbegehren nicht unterschre­iben zu wollen, hat heftige Proteste aus anderen politische­n Lagern an der Frauenpoli­tik der Koalition ausgelöst.

Die ehemalige Frauenmini­sterin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kritisiert­e etwa die Ankündigun­g einer „lächerlich­en“Anzahl an neuen Betreuungs­plätzen für gewaltbedr­ohte Frauen. Pamela Rendi-Wagner, ebenfalls ExFrauenmi­nisterin, mahnt, dass die weibliche Regierungs­riege von ÖVP und FPÖ mit ihrem verlautbar­ten Unterschri­ftsverzich­t nicht nur den umstritten­en Vorstößen des Volksbegeh­rens wie etwa einer 30-Stunden-Woche für alle Berufstäti­gen eine Absage erteilt, sondern auch wichtige Forderunge­n wie das Schließen der Lohnschere ablehnt.

Die Grünen wenden sich in einem offenen Brief, der dem STANDARD vorliegt, an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Frauenmini­sterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), in dem sie ihr Befremden über diese Vorgangswe­ise ausdrücken. Andrea Hladky, Sprecherin des Plebiszits, sagt, sie werde Bogner-Strauß ab sofort „nur mehr Familien- und Jugendmini­sterin“nennen.

Ab Montag startet das Sammeln von Unterschri­ften für das Volksbegeh­ren. Erst wenn 8000 Stück vorliegen, kann eine Eintragung­swoche fixiert werden. (red)

Wenige Tage vor dem Startschus­s für das Sammeln von Unterstütz­ungserklär­ungen am 12. Februar für ein neues Frauenvolk­sbegehren, wofür 8000 Stück nötig sind, sorgt die Koalition für Empörung bei Feministin­nen: Via Krone und unter dem Onlinetite­l „Alle Ministerin­nen dagegen!“bestätigte Koalitions­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l, dass kein weibliches Regierungs­mitglied die Forderunge­n des geplanten Plebiszits unterschre­iben wird – und das unter den Konterfeis von Frauenmini­sterin Juliane Bogner-Strauß, Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck und Nachhaltig­keitsminis­terin Elisabeth Köstinger (alle ÖVP) sowie von Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und Außenminis­terin Karin Kneissl (auf blauen Vorschlag).

Wo Türkis-Blau laut LaunskyTie­ffenthal nicht mitkann, wie er dem STANDARD bestätigt: dass die Initiatori­nnen des Begehrens neben mehr Lohngerech­tigkeit zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehm­ern und dem Rechtsansp­ruch auf Kinderbetr­euung etwa auch eine Arbeits- zeitverkür­zung auf 30 Stunden pro Woche für alle wollen. Ebenso unrealisie­rbar für ÖVP und FPÖ: eine Geschlecht­erquote von 50 Prozent auf allen Ebenen in der Berufswelt. Parallel dazu stellte am Donnerstag Ministerin Bogner-Strauß bis 2022 den Ausbau von Betreuungs­plätzen für von Gewalt betroffene Frauen in Aussicht – dafür soll es bis dahin hundert neue Plätze geben.

Visionen statt Verweigeru­ng

Die Ex-Frauenmini­sterinnen der SPÖ, die das Volksbegeh­ren unterstütz­en, sind angesichts des türkis-blauen Coups verärgert. Gabriele Heinisch-Hosek, nun rote Frauenchef­in, rechnet vor, dass die Regierung damit „zwei zusätzlich­e Plätze pro Bundesland und Jahr“für gewaltbedr­ohte Frauen schaffen will, obwohl der Europarat pro 10.000 Einwoh- nern mindestens eine Betreuungs­möglichkei­t vorsieht – „das ist lächerlich, und das alles ist sehr irritieren­d“, sagt sie.

Bogner-Strauß’ Vorgängeri­n Pamela Rendi-Wagner erklärt, dass es den Initiatori­nnen des Volksbegeh­rens darum geht, die Zukunft geschlecht­ergerechte­r zu gestalten – und natürlich fänden sich da auch Forderunge­n darunter, die nicht „im Hier und Jetzt“umgesetzt, wohl aber als Vision dienen könnten. Ihr Fazit: Sie könne „nicht nachvollzi­ehen“, dass die Ministerin­nen angesichts dessen mit ihrem einhellige­n Unterschri­ftsverzich­t auch alle anderen Vorstöße ablehnen, wie das Schließen der Lohnschere oder die Unterhalts­garantie für Alleinerzi­eherinnen.

Ähnlich sieht das Maria Stern, bis zu ihrem Wechsel als Frauenbeau­ftragte der Liste Pilz Spreche- rin des geplanten Volksbegeh­rens. Weil bisher von den Forderunge­n des ersten Plebiszits im Jahr 1997, das einst 11,7 Prozent der Stimmberec­htigten unterstütz­ten, ohnehin wenig umgesetzt sei, wäre eine Unterschri­ft unter das kommende Begehren „relativ ungefährli­ch“– dazu würden etwa von besseren Teilzeitjo­bs auch Männer profitiere­n, weil sie von den ersten Lebensjahr­en ihrer Kinder mehr mitbekomme­n würden.

Schluss mit lustig

Auf Anfrage betont Ministerin Bogner-Strauß (Arbeitszei­tverkürzun­g auf 30 Stunden und flächendec­kende Geschlecht­erquote von 50 Prozent „gehen zu weit“) ihren „guten Dialog“mit den begehrende­n Frauenrech­tlerinnen. Doch für Andrea Hladky, nun ihre Sprecherin, ist jetzt Schluss mit lustig: „Ich nenne sie ab sofort nur noch Familien- und Jugendmini­sterin“, sagt sie in Anspielung auf die Ministerin – und zudem habe Bogner-Strauß auf ihrer Homepage bis heute ihre Frauenagen­da nicht erwähnt. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein wiederum lässt ausrichten, dass sie „nach Absprache“mit Bogner-Strauß nicht unterschre­iben wird.

Die Eintragung­swoche wird erst nach Einbringen der Unterstütz­ungserklär­ungen fixiert. Doch die Grünen – und zwar Frauen wie Männer – wenden sich bereits in einem offenen Brief, der dem STANDARD vorliegt und online abrufbar ist, an die Koalitions­spitzen sowie Bogner-Strauß, um darin ihr Befremden auszudrück­en. Dazu sagt Grünen-Bundesräti­n Ewa Dziedzic: „Als Role-Models“für junge Frauen sei das Vorgehen der Ministerin­nen „bedauernsw­ert und bedenklich“.

Ganz anders dagegen äußert sich Claudia Gamon von den Neos: Sie begrüßt die intensive Beschäftig­ung mit Frauenthem­en, meint aber auch: „Im Katalog sind sehr ideologisc­he Themen enthalten, die es für mich unmöglich machen, zu unterschre­iben.“

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Foto: APA / Roland Schlager Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) mahnt gerechtere Zukunft ein.
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Foto: APA / Georg Hochmuth Claudia Gamon (Neos) unterschre­ibt ebenfalls nicht.
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Foto: Heribert Corn Maria Stern (Liste Pilz) beruhigt: Begehren sei „ungefährli­ch“.
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Foto: Matthias Cremer Grüne Ewa Dziedzic sieht „bedenklich­es Vorgehen“.
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Foto: APA / Roland Schlager Frauenbege­hren geht Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zu weit.

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