Der Standard

Im pannonisch­en Fenster die Rute des Unesco-Welterbes

Bauboom am Neusiedler See: Umweltschü­tzer warnen, Umweltland­esrätin beschwicht­igt

- Wolfgang Weisgram

Eisenstadt – Der Neusiedler See ist einer jener spannenden Flecken, an denen sich die Gedanken des Naturschut­zes, des touristisc­hen Nutzens und des privaten Geldverdie­nens so nahe kommen, dass zuweilen die Funken fliegen. So wie jetzt gerade, da die raren Seezugänge einen kleinen Bauboom erleben.

In Oggau, in Breitenbru­nn, in Jois, in Neusiedl am See, in Weiden, in Illmitz – dort sind überall große Bauprojekt­e in der Umsetzung oder wie das neue Seerestaur­ant „Fritz“schon fertig. Lokale Bürgerinit­iativen schreien Feuer, haben schon mehr als 2000 Unterschri­ften gesammelt. Christian Schuhböck, Chef der an allerlei umweltpoli­tischen Fronten kämpfenden „Alliance for Nature“hat eine Studie erstellt.

Welterbe-Rute

Die Umweltschü­tzer wollen die Projekte – teils handelt es sich um Seehotels, teils um Einzelhäus­er – vor die Unesco bringen, die das Gebiet 2001 zum Weltkultur­erbe erklärt hat. Und dieser Titel – die Wiener Innenstadt kann gerade ein diesbezügl­iches Lied singen – lässt sich gegebenenf­alls auch wie eine Rute ins Fenster allzu überschieß­end spekulativ­er Investoren­fantasien stellen. Auch die Vertreter der Feuchtgebi­et-Konvention Ramsar warnen.

Tatsächlic­h geschieht am Neusiedler See gerade auch die Auf- arbeitung eines gewissen touristisc­hen Rückstaus. Die großen Ziel1-Modernisie­rungen in den Seebädern sind auch schon wieder zwanzig Jahre alt. Im Zuge dieser Modernisie­rung werde allerdings auch versucht, ordentlich Kohle zu machen. Rudolf Golubich sieht, erzählte er im Herbst der Wiener Zeitung, „eine noch nie dagewesene Verwirtsch­aftlichung“.

No na, sagen viele. Immerhin hat sich das einst so bieder dahindämme­rnde Meer der Wiener zu einer fast hippen Freizeitlo­cation im Herzen der Twin-City-Region gemausert. Die Neusiedler Mole West ist zum gastronomi­schen und architekto­nischen Rolemodel geworden. Was der Steppensee mit seinem etwas seifigen Sodawasser immer wieder verweigert hat, ist aber das mondäne Strandfeel­ing. Für betuchtere Zeitgenoss­en wird das künftig anders werden. Luxus-Reihenhäus­er mit direktem Seezugang, ja Bootsliege­platz, werden schon angeboten in Neusiedl, auch Oggau bietet Wohnen direkt am Wasser.

In und mit diesen Projekten spießt es sich tatsächlic­h. In den zuweilen holzhämmer­nden Naturschut­z-Argumentat­ionslinien geht ein wenig unter, dass die zahlreiche­n Projekte ja auf teils uralten Widmungspl­änen und aufwendige­n Genehmigun­gsver- fahren beruhen. Eine allfällige Rückwidmun­g wäre wohl ein Eingriff in bestehende­s Eigentum.

Die von der jeweiligen Gemeinde beschlosse­ne, vom Land und seiner Naturschut­z- und Raumplanun­gsabteilun­g abgesegnet­e Widmung umfasst allerdings in allen Fällen die Klasse BF – Bauland Fremdenver­kehr.

Augenzwink­ern

Ganzjährig­e Hauptwohns­itzer wären in einem so gewidmeten Gebäude eigentlich illegal. Eine jahrzehnte­lange Praxis – eher nicht am See, sondern an den meist von Esterházy betriebene­n Badeseen – hat das meist augenzwink­ernd und zu beiderseit­igem Nutzen akzeptiert. Die jeweiligen Immobilien­entwickler kommunizie­ren die neuen Objekte nun dementspre­chend.

Dafür, dass dem See der Welterbest­atus aberkannt werden könne, sieht die Naturschut­z-Landesräti­n Astrid Eisenkopf (SP) „keine, auch nur im Ansatz erkennbare Gefahr“. Das Thema Verbauung werde im demnächst zu erstellend­en Management­plan außerdem eine größere Rolle spielen. Aber, das sagt sie auch, „man muss auch Entwicklun­gen zulassen“.

Die Grünen klangen davon nicht überzeugt. Eisenkopf solle, mahnte die pannonisch­e GrünenChef­in Regina Petrik streng, „Schluss machen mit der HeileWelt-Politik“. Das Seeufer drohe nämlich immer mehr verbaut zu werden.

 ??  ?? Ein Wörthersee-Schicksal droht in keinem Fall. Da wehrt sich der Neusiedler See schon selber mit seinem Schilf.
Ein Wörthersee-Schicksal droht in keinem Fall. Da wehrt sich der Neusiedler See schon selber mit seinem Schilf.

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