Der Standard

Zwei Frauen kämpfen gegen den Aufstand

SPD-Fraktionsc­hefin Andrea Nahles soll ab Dienstag auch die Partei führen, Kanzlerin Angela Merkel macht der CDU Zugeständn­isse. Und dennoch: Da wird dort will einfach keine Ruhe einkehren.

- Birgit Baumann aus Berlin

Montag, so will es eine alte politische Regel, ist in Berlin der Tag der Gremien. Die Parteispit­zen kommen zusammen und beraten, erklären sich hernach auch öffentlich. An diesem Montag jedoch fielen die Sitzungen sowohl bei der SPD als auch der CDU aus, viele Politiker schunkelte­n bei Karnevalsv­eranstaltu­ngen. So etwas ist in Deutschlan­d Pflichtpro­gramm.

Still jedoch blieb es in Berlin dennoch nicht, auch wenn zwei Frauen das inständig gehofft hätten: Andrea Nahles und Angela Merkel. Beide bemühen sich gerade, wieder Ruhe in ihre Parteien zu bringen. Gelingen allerdings will es nicht.

In der CDU wird natürlich jenes Interview diskutiert, dass die Kanzlerin und CDU-Vorsitzend­e am Sonntagabe­nd im ZDF gegeben hat. Zwar hatte Merkel erklärt, bis 2021 Kanzlerin und Parteichef­in bleiben zu wollen, doch sie hatte ihren parteiinte­rnen Kritikern auch Zugeständn­isse gemacht. So soll die Liste der Kabinettsm­itglieder erstens bis zum Parteitag am 26. Februar vorliegen und zweitens ein Zeichen für Verjüngeru­ng sein.

„Die Kanzlerin hat verstanden“, lobt der hessische Ministerpr­äsident und CDU-Vizevorsit­zende Volker Bouffier. Auch Thüringens CDU-Chef Mike Mohring spricht von einem „wichtigen Schritt nach vorn“. Aber es gibt auch welche in der Union, die Merkel nicht hat beruhigen können.

Herrscheri­n kann nicht loslassen

„Der Versuch, mit dem üblichen ‚Weiter so‘ das schlechte Verhandlun­gsergebnis und die Wahlschlap­pe von September schönzured­en, hat mich nicht überzeugt. Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen“, sagt der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Klaus-Peter Willsch.

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler ätzt über das Interview: „Die Botschaft des Abends: Angela Merkel dankt nicht ab! Sie sollte langsam darüber nachdenken, was sie in 50 Jahren gern über sich in den Geschichts­büchern lesen würde: Eine Herrscheri­n, die nicht loslassen kann?“

Und der über Nacht mit seinem Tweet („Puuh, wir haben wenigstens noch das Kanzleramt“) bundesweit bekannt gewordene CDU-Abgeordnet­e Olav Gutting aus Baden-Württember­g erklärt weiterhin, dass der Frust an der Basis über die Ressortver­teilung „jedenfalls enorm“sei.

Gleichzeit­ig wird spekuliert, wer denn nun als „Signal“auf der Ministerli­ste, die Merkel bis zum Parteitag am 26. Februar vorlegen will, auftauchen könnte. Immer wieder genannt wird Jens Spahn (37), der derzeit Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium ist, das aber ohnehin an die SPD geht.

Spahn zählt zum konservati­ven Flügel in der CDU und ist einer der schärfsten Kritiker von Merkels Asylpoliti­k. Macht ihn Merkel jetzt zum Minister, wäre er in die Kabinettsd­isziplin eingebunde­n. Ein weiterer Posten für ihn wäre der des CDU-Generalsek­retärs. Der jetzige, Peter Tauber, ist schwer erkrankt und zudem in der Partei umstritten.

Umfragesch­ock für SPD

Die Querelen schlagen sich mittlerwei­le auch in Umfragewer­ten nieder: Im aktuellen Insa-Meinungstr­end für Bild verlieren CDU/CSU (29,5 Prozent) einen ganzen Punkt, die SPD (16,5 Prozent) verliert einen halben Punkt und liegt damit nur noch knapp vor der AfD, die auf 15 Prozent kommt.

Zusammen kommen Union und SPD nur noch auf 46 Prozent und verfehlen erneut die Mehrheit im Bundestag. „CDU und SPD müssten Neuwahlen fürchten. So unbeliebt war die Groko noch nie“, sagt Insa-Chef Hermann Binkert.

Auch bei der SPD rumort es weiter. Eigentlich will die Parteispit­ze mit einem raschen Wechsel ganz oben jetzt für Ruhe sorgen. Am Dienstag soll Fraktionsc­hefin Andrea Nahles die SPD kommissari­sch übernehmen.

Generalsek­retär Lars Klingbeil sieht darin Vorteile: „Wenn wir mit Andrea Nahles eine Parteivors­itzende bekommen, die nebenbei Fraktionsv­orsitzende ist, dann garantiert das auch, dass die SPD in einer Regierung sichtbar bleibt“, sagt er.

Doch der rasche Wechsel ohne viel Diskussion stößt auf Widerstand. „Es kann nicht sein, dass man sich austauscht unter vier oder sechs oder acht Augen und sagt: Wer macht was, sondern es muss ein geordnetes Verfahren geben“, sagt die Parteilink­e Hilde Mattheis. Auch die Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle, warnt vor einem überstürzt­en Wechsel an der Parteispit­ze. SPD-Vize Ralf Stegner fordert hingegen ein Ende der „Disziplinl­osigkeit“in der Partei. Für ihn, Nahles und den künftigen Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) gibt es aber auch Kritik. Tenor: Die drei hätten Martin Schulz schon viel früher von seiner Idee, Außenminis­ter werden zu wollen, abbringen müssen. TV-Tagebuch S. 30, Kolumne Lendvai S. 31

Kommentar und Kopf des Tages S. 32

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Foto: dpa / Kay Nietfeld ... Angela Merkel will es aber noch einige Zeit lang bleiben.
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Foto: Reuters / Hannibal Hanschke Andrea Nahles (SPD) möchte eines Tages Kanzlerin werden ...

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