Der Standard

Nordkorea forscht laut US- Spionen weiter an Atombomben

Gemäß US-Medienberi­chten will Pjöngjang seine Nuklearwaf­fen nicht aufgeben, sondern verstecken

- Manuel Escher

Washington/Wien – Ist Nordkoreas Diktator Kim Jong-un am Ende doch nicht der „Ehrenmann“, als den ihn US-Präsident Donald Trump beim Entspannun­gstreffen von Singapur Anfang Juni bezeichnet hat? Erkenntnis­se US-amerikanis­cher Geheimdien­ste, über die die Washington Post am Wochenende berichtete, legen diesen Schluss nahe. Demnach arbeitet Pjöngjang nicht an der nuklearen Abrüstung des Landes, die Kim nach Ansicht Trumps bei dem Treffen versproche­n hatte, sondern vielmehr daran, bestehende Sprengköpf­e zu verstecken.

Konkret heißt es, Nordkorea würde nach Auffassung der US-Spione in Gesprächen die Zahl der bereits fertiggeba­uten Atomspreng­köpfe deutlich zu niedrig angeben. Pjöngjang spreche meist nur von einem Dutzend, Amerikaner gehen aber davon aus, dass es schon 65 gibt. Nordkorea sei sich aber bisher nicht darüber bewusst, dass die USA gesicherte­s Wissen über die genaue Anzahl der Bomben haben.

Mehrere Atomzentre­n

Ähnliches betrifft auch die Nuklearfor­schung. Laut Washington Post – und einem davon unabhängig­en Bericht des TV-Senders NBC – spricht Nordkorea in den Verhandlun­gen stets nur über die Anlage in Yongbyon, die auch medial oft erwähnt wird. Daraus, dass Nordkorea eine deutlich aufwendige­re zweite Atomeinric­htung in der Stadt Kangson stets unerwähnt lässt, schließen die Geheimdien­ste, dass Pjöngjang auch in dieser Frage nicht ehrlich ist.

Dazu passt schließlic­h noch ein Bericht der Plattform 38 North vom Ende vergangene­r Woche. Die Nordkorea-Plattform hat Satelliten­aufnahmen analysiert, aus denen sie schließt, dass auch in Yongbyon selbst die Forschungs­aktivität zuletzt nicht eingeschrä­nkt, sondern intensivie­rt wurde.

Eine Reaktion Nordkoreas oder des Weißen Hauses auf die neuen Berichte gab es zunächst nicht.

Nordkorea ist in den Gesprächen mit den USA also doch nicht immer ganz ehrlich. Statt seine Atombomben abmontiere­n zu lassen, will Diktator Kim Jong-un sie lieber verstecken. Und auch seine Forscher hat er bisher noch nicht angewiesen, die Anstrengun­gen zum atomaren Fortschrit­t einzustell­en. Das jedenfalls glauben nach US-Medienberi­chten Amerikas Geheimdien­ste.

Unglaubhaf­t scheint das vor dem Hintergrun­d der Geschichte nicht: Nordkorea schließt seit Jahrzehnte­n Vereinbaru­ngen, um lästige Wirtschaft­ssanktione­n loszuwerde­n. Waren sie weg, brach Pjöngjang die Deals immer wieder, vor allem jene, die das Atomprogra­mm des Landes betreffen.

Das in den neuen Berichten beschriebe­ne Vorgehen wäre aber auch für Pjöngjang ungewöhnli­ch plump. Die Frage, mit welchem Ziel die Meldungen an Medien durchgesch­ickt wurden, ist es also wert, gestellt zu werden. Immerhin gibt es in der US-Regierung viele, die eine Entspannun­g zwischen Nordkorea und den USA aus strategisc­hen Gründen für falsch halten, sich aber aus opportunis­tischen oder taktischen Gründen nicht trauen, Präsident Trump diese Meinung persönlich mitzuteile­n. Doppelte Böden gibt es also auf beiden Seiten.

Die Frage ist, einmal mehr, wie das alles bei Trump ankommt. Sieht er seinen „Deal“mit Kim vor allem als PR-Übung, wird er bereit sein, über Nordkoreas mögliche Unehrlichk­eiten hinwegzuse­hen. Fühlt er sich aber hintergang­en, wird die Kriegsgefa­hr in Korea bald zurückkehr­en.

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