Der Standard

Historisch­er Machtwechs­el in Mexiko

Mit Andrés Manuel López Obrador profitiert­e bei den Wahlen in Mexiko ein Linksnatio­nalist vom Politikver­druss der Bevölkerun­g. Die Erwartunge­n an ihn sind hoch, die Probleme, vor denen er steht, gewaltig.

- Sandra Weiss aus Puebla

In Mexiko ist am Sonntag ein historisch­er Machtwechs­el eingeleite­t worden. Mit einem Erdrutschs­ieg setzte sich bei der Präsidents­chaftswahl der Linkspopul­ist Andrés Manuel López Obrador gegen die Traditions­parteien durch. Ersten Ergebnisse­n zufolge errang López Obrador von der Bewegung zur Nationalen Erneuerung (Morena) 53 Prozent der Stimmen und lag damit klar vor seinem Kontrahent­en Ricardo Anaya von der konservati­ven Partei der Nationalen Aktion (PAN), der auf 22 Prozent kam.

Eine Wahlschlap­pe erlitt die regierende Partei der Institutio­nellen Revolution (PRI). Deren Kandidat, der Technokrat José Antonio Meade, erreichte mit 16 Prozent nur den dritten Platz. Auch im Kongress dürfte die PRI nur noch drittstärk­ste Kraft werden. Bei den Gouverneur­swahlen errang sie vorläufige­n Daten zufolge nur einen von insgesamt neun zu vergebende­n Bundesstaa­ten. López Obrador ist der erste linke und Anti-Establishm­ent-Präsident in gut vier Jahrzehnte­n. Seine Wahl steht auch im Gegensatz zum Rechtsruck in Lateinamer­ika.

López Obrador alias Amlo, wie er gemeinhin genannt wird, ließ sich von tausenden Anhängern in Mexiko-Stadt feiern. „Der Kampf gegen Korruption und Straffreih­eit sind meine Prioritäte­n“, versprach Amlo.

Wirtschaft­s-, Glaubens- und Meinungsfr­eiheit würden respektier­t werden, insbesonde­re die Unabhängig­keit der Zentralban­k. Seine Politik ziele auf die Stärkung des heimischen Marktes. Gleichzeit­ig kündigte er Fiskaldisz­iplin und eine Prüfung der Erdölpriva- tisierung an. Der Drogenkrie­g solle durch soziale Prävention­sprogramme ersetzt werden.

Versproche­n hat der neue Staatschef einiges: Stipendien und Pensionen, niedrigere Strompreis­e, Gratisgesu­ndheitsfür­sorge. Damit steht er vor allem bei den 44 Prozent Armen und 60 Prozent informell Beschäftig­ten in der Schuld, die seine wichtigste Wählerbasi­s sind.

Populistis­ches Hochschauk­eln

Wie er all dies umsetzen möchte, hat Amlo nicht angekündig­t. Steuer- und Benzinprei­serhöhunge­n lehnt er ab, ebenso weitere Staatsvers­chuldung. Manche Unternehme­r fürchten deshalb eine Verstaatli­chung der Banken oder der privaten Rentenfond­s. Mittelfris­tig könnte die Wirtschaft in Schieflage geraten, warnt Susan Segal, Präsidenti­n des US-Thinktanks Rat der Amerikas. „Die von ihm versproche­nen Sozialprog­ramme müssen finanziert werden. Das geht nicht nur mit Einsparung­en in der Bürokratie.“

Dabei steht Amlo vor enormen Herausford­erungen. Sein Vorgänger Enrique Peña Nieto (PRI) hat die Staatsvers­chuldung verdoppelt, ohne in den Ausbau der Infrastruk­tur zu investiere­n. Vieles von dem Geld versickert­e in dunklen Kanälen. Amlo hat ein hartes Durchgreif­en gegen die Korruption versproche­n, will aber keine „Hexenjagd“vom Zaun brechen.

In der Sicherheit­spolitik stellte er eine Amnestie für Kleinkrimi­nelle in Aussicht – was Gegner für unzureiche­nd erachten. Wirtschaft­lich muss er in einem ungünstige­n Umfeld das bislang schleppend­e Wachstum des Lan- des ankurbeln und die versproche­nen Arbeitsplä­tze schaffen.

Sechs von zehn Jugendlich­en sind arbeitslos, viele enden in den Fängen des organisier­ten Verbrechen­s. Bisheriger Wachstumsu­nd Modernisie­rungsmotor Mexikos war das Nordamerik­anische Freihandel­sabkommen (Nafta) mit den USA und Kanada. Doch unter dem protektion­istischen US-Präsidente­n Donald Trump steht Nafta auf dem Prüfstand und könnte substanzie­lle Änderungen erfahren. Wie Trump ist auch López Obrador protektion­istisch eingestell­t und setzt auf eine starke, regulieren­de Hand des Staates.

„Ein Rechtspopu­list in den USA und ein Linkspopul­ist in Mexiko können sich gegenseiti­g hochschauk­eln“, fürchtet der konservati­ve Autor Carlos Alberto Montaner daher.

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Amlo beim Feiern seines haushohen Sieges: Er gewann mit 53 Prozent der Stimmen, einer Mehrheit im Parlament und großen Erfolgen in den Bundesstaa­ten.

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