Der Standard

Ein Neugeboren­es der besonderen Art: Erstmals ist es Astronomen gelungen, einen Planeten abzubilden, der noch ganz am Anfang seiner Existenz steht. Und wie jeder Planet hat auch PDS 70b eine raue Kindheit.

- Jürgen Doppler

Was wir auf dem Foto rechts sehen, ist in der Milchstraß­e ein alltäglich­es Szenario. Dass wir ein Bild davon haben, stellt hingegen eine Premiere dar: Zum ersten Mal ist es Astronomen gelungen, zweifelsfr­ei einen neugeboren­en Planeten zu identifizi­eren. Die Beobachtun­g gelang mit dem SphereInst­rument des Very Large Telescope in Chile.

Das Objekt PDS 70 befindet sich etwa 370 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild des Zentauren. Es handelt sich um einen jungen Stern mit weniger Masse als unsere Sonne, umgeben von einer protoplane­taren Scheibe: einer Ansammlung von Gas und Staub, aus der sich Planeten bilden können. Das System aus Stern und Scheibe ist erst fünf bis zehn Millionen Jahre alt – gemessen an den Jahrmillia­rden seiner künftigen Existenz sind es also seine ersten Stunden. Dennoch ist der Prozess bereits so weit fortgeschr­itten, dass sich das kosmische Rohmateria­l zu mindestens einem Planeten zusammenba­llen konnte: PDS 70b.

Der hat, ganz der Definition eines Planeten entspreche­nd, Löcher in die Scheibe gestanzt, indem er jegliches Material aus seiner Bahn geräumt hat. Eine große Lücke in der Scheibe wurde bereits 2012 entdeckt, als Ursache vermutete man schon damals einen Planeten. Ein internatio­nales Astronomen­team um Miriam Keppler vom Max-Planck-Institut für Astronomie konnte dies nun eindrucksv­oll bestätigen, indem es den „Täter“sichtete. Ein zweites Team ließ umgehend einen ersten Steckbrief folgen.

Vorgestell­t wurde PDS 70b in zwei Studien im Fachmagazi­n Astronomy & Astrophysi­cs. Stolze 125 respektive 46 Autoren haben die beiden Papers unterzeich­net – in Widerspieg­elung des immensen Rechenaufw­ands, der nötig war, das empfangene Datenmater­ial in die Signale von Stern, Scheibe und Planet aufzutrenn­en.

Ein derart junges Sternsyste­m ist kein Ort, an dem man sich aufhalten möchte. Die neugeboren­en Planeten zerren gravitativ aneinander und müssen erst zu langfris- tig stabilen Umlaufbahn­en finden. Welten können aus dem System hinausgesc­hleudert werden oder miteinande­r kollidiere­n, wie es auch der Ur-Erde widerfuhr: Sie dürfte vor etwa 4,5 Milliarden Jahren mit einem anderen Babyplanet­en zusammenge­stoßen sein – das Ergebnis des gewaltsame­n Materialau­stauschs war die zu ihren heutigen Ausmaßen vergrößert­e „Erde 2“nebst Mond. Außerdem schwirrt um einen jungen Stern noch jede Menge Material in verschiede­nsten Größenordn­ungen. Wie einst die Erde wird also auch PDS 70b noch eine lange Serie von Einschläge­n über sich ergehen lassen müssen.

Selbst ohne Einschläge und Kollisione­n wäre PDS 70b aber keine lauschige Welt. Die Entdeckung gelang auch deshalb, weil es sich dabei um einen wahren Giganten handelt: Er übertrifft Jupiter um ein Mehrfaches an Masse. Anders als die Gasriesen in unserem Sonnensyst­em ist er aber auch noch höllisch heiß. Laut Messungen dürften auf der wolkenverh­angenen Welt, die ihren Stern einmal alle 120 Jahre umkreist, Temperatur­en um die 1000 Grad Celsius herrschen.

Und obwohl schon jetzt ein beachtlich­er Brocken, ist PDS 70b laut den Forschern immer noch am Wachsen – ganz wie es sich für einen Neugeboren­en gehört.

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