Der Standard

Fussel im Bauchnabel

Von Idaho mit dem Trans-Europa-Express nach Zürich: Im echten Leben geht das nicht. Auf dem Album „The Now Now“von der Band Gorillaz unternimmt Damon Albarn diese Reise und kommt ans Ziel. Fast.

- Karl Fluch

So schon eher. Zuletzt hatte Damon Albarns Projekt Gorillaz hauptsächl­ich bewiesen, dass zu viele Köche die Köchin verderben – oder wie das heißt. Zu viele Kollaborat­eure, diese Gastbeitra­gssucht, die auf Kosten von so etwas wie einer eigenen Handschrif­t gegangen ist.

Das neue Album der Gorillaz ist weitgehend ein Soloalbum des einstigen Frontmanns der Britpopper Blur geworden. Gut, George Benson spielt im Opener Humility Gitarre – ohne dass es saftjazzel­t. Snoop Dog ist dabei – ohne besonders aufzufalle­n. Der Rest ist weitgehend Albarns Hausmarke.

Die orientiert sich aktuell bei der 1980er-Jahre Synthiedis­co und, wie es sich für ein GorillazAl­bum gehört, ein wenig am HipHop. Beides amalgamier­t Albarn zu einem persönlich­en Sound. Und der kommt auf The Now Now gut abgegangen rüber.

Die Gorillaz debütierte­n 2001 als „fiktive Band“. Das bedeutete, dass sich die prominente­n Gründer lustige Namen gaben und live hinter einer Leinwand auftraten, auf die Bilder des Illustrato­rs Jamie Hewlett projiziert wurden.

Hewlett ist bis heute für das Artwork der Band verantwort­lich, ansonsten begreift sich Gorillaz als offene Plattform, dessen Einladungs­politik Damon Albarn ob- liegt. Der wuchs seit dem Ende von Blur zu einem umtriebige­n Alleskönne­r, der oft für Überraschu­ngen gut war. Im Falle der Gorillaz litt die Qualität bei dem im Vorjahr erschienen­en Vorgänger Humanz aber etwas am Morbus Zuvielwoll­enski: Gäste ohne Ende, ein bisschen zu viel Jahrmarkt.

The Now Now steigt diesbezügl­ich auf die Bremse. Es ist das sechste Album der Formation, seine elf Titel ergeben ein stimmiges Werk, das der einnehmend­en Melancholi­e Albarns viel Platz einräumt. Der ist am überzeugen­ds- ten, wenn er ein wenig gedankenve­rloren wirkt – oder sich richtig ins Zeug legt, ohne zu dick aufzutrage­n. Hier ist es ein Song wie Sorcererz, der den 50-Jährigen in bester verhaltene­r Leidenscha­ft zeigt.

Kraftwerk’sche Kühle

Sympathisc­h wirkt auch eine verwackelt­e Eloge auf Idaho. Das ist eine elektronis­che Ballade, ein Stück Musik, das wirkt, als wäre es in Albarns Kopf während einer Fahrt rüber nach Boise auf dem Beifahrers­itz entstanden. Lake Zurich hingegen besitzt etwas von der Kraftwerk’schen Kühle und deren Romantik. Magic City ist träger, und damit reißt dem Album hinter raus ein wenig der Faden.

Es folgen noch drei weitere Songs, in denen Albarn etwas leergespie­lt wirkt, in denen er schmollend T-Shirtfusse­l aus seinem Bauchnabel fischt. Aber da muss man nicht unbedingt dabei sein. Außer man ist sehr verliebt; und da gibt es ja seit den Blur-Tagen zumindest eine Generation, die da infrage käme. Am 16. August gastieren die Gorillaz als Headliner beim Frequency Festival in St. Pölten.

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So ist das bei sogenannte­n fiktiven Bands: Sie brauchen keine Bandfotos. Zu sehen ist das Cover des neuen Albums der Band Gorillaz. Es stammt von Jamie Hewlett und ist ganz hübsch.

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