Der Standard

Schladming­er Staffelspi­ele

Von symbolträc­htigen Übergaben: Wie Ex-Kanzler Viktor Klima 1998 als Julius Caesar auf eine Schar Punks traf

- Kurt Bayer

Schladming als realer und symbolisch­er Beginn der dritten österreich­ischen EURatspräs­identschaf­t. Kurz, Borissow und Tusk konnten zwar nicht in einer Gondel gemeinsam in die Höhen der Planai schweben. Aber sie fanden einander dort oben und zelebriert­en die „Staffelübe­rgabe“an Österreich.

Dies lässt den Beobachter mit Schmunzeln die Staffelübe­rgabe des norwegisch­en Skiverband­es (Trondheim 1997) an Schladming erinnern – Anlass war die in Schladming/Ramsau 1999 stattfinde­nde Nordische Ski-WM. Bei der Tour des Capitales wurde die Übergabe vom damaligen Bundeskanz­ler Klima im Herbst 1998 mit einem Abstecher nach Oslo „gefeiert“. Die „Tour“fand vor jedem neuen EU-Vorsitz statt, da vor der Installier­ung eines Ratspräsid­enten dem Vorsitzlan­d eine deutlich stärkere Rolle als heute zukam.

In kürzester Zeit – damals vier Tage – wurden alle 14 Hauptstädt­e angeflogen, dort nach besonderem Begehren während der kommenden Präsidents­chaft gefragt, einige Sachfragen diskutiert, sowie die österreich­ischen Interessen deponiert. (Hauptinter­esse war, eine Ausnahme vom Bosman-Urteil zu erreichen, damit finanzkräf­tige Fußballver­eine nicht den Sportverei­nen alle Nachwuchsk­icker ohne Kompensati­on abluchsen konnten.)

Nach einer Audienz beim (sehr schweigsam­en) König, bei dem auch eine österreich­ische Delegation im Schladming­er Rock auftrat, sollte es in den Park unterhalb des Schlosses gehen, wo der Dachstein aus Eisblöcken aufgebaut war und der Bundeskanz­ler eine Rede vor den skibegeist­erten norwegisch­en Massen halten sollte und die Norweger den Schladming­ern ein „Nordlicht“übergeben sollten – als Symbol für die Nordische WM. Der Sportrefer­ent des Bundeskanz­lers hatte viel Aufwand in die Vorbereitu­ngen gesteckt.

Die Realität war anders: Es nieselte und dämmerte, im SchlossBes­erlpark waren keine Ski-Aficionado­s anzutreffe­n, sondern nur eine kleine Schar bekiffter Punks, die verdattert der Ankunft der österreich­ischen Delegation­en – mit Bundeskanz­ler, Beamten sowie Schladming­ern – zusahen.

Der Bundeskanz­ler begann seine Rede mit „Norwegians: We Austrians are a peaceful nation!“(offenbar übernommen aus Shakespear­es Julius Caesar), die Punks lernten zu ihrer Verwunderu­ng, dass Österreich nicht den Plan hatte, sie anzugreife­n, die Schladming­er Kapelle spielte zwei Weisen und verwahrte dann das „Nordlicht“, welches sich als mickrige Skulptur mit einer leuchtende­n Funzel drin darstellte. Der Bundeskanz­ler war stinksauer, der Eis-Dachstein war schon weitgehend abgeschmol­zen, das Ganze ein Gipfel der Jämmerlich­keit, dem die offizielle österreich­ische Delegation bald entfloh.

Dass am nächsten Tag das „Nordlicht“nicht aufzufinde­n war, letztlich aber doch an einem nicht zu nennenden Ort gefunden wurde, ist eine andere Geschichte. Und die Lektion: Bundeskanz­ler Kurz hätte das institutio­nelle Gedächtnis der Beamten bemühen sollen, damit das „Nordlicht“-Beispiel nicht etwa stilgebend für die Präsidents­chaft 2018 wird.

Vielleicht wäre die Rax oder der Grazer Schloßberg ein optimistis­cheres Omen dafür gewesen.

KURT BAYER ist Senior Research Associate beim Wiener Institut für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e.

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Foto: Reuters König Harald V. überreicht Viktor Klima das „Nordlicht“.
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Foto: EBRD Kurt Bayer: Schladming als schlechtes Omen?

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