Der Standard

„Die Hauptvorbe­reitung besteht darin, Abstand zu gewinnen“

Lernen in den Schulferie­n? Muss nicht sein, findet Lutz-Helmut Schön. Der Lehrerbild­ner und Didaktikpr­ofessor erklärt, wie das Interesse an Physik geweckt werden kann – und warum Flugzeuge fliegen.

- INTERVIEW: Peter Mayr, Karin Riss

STANDARD: le Kinder zur Kaum Kinderuni. ist die Schule Wäre aus, es nicht rennen besser, viewenn lüften sie würden? ihre Freizeit genießen und ihr Hirn ausSchön: anders Die ist, Kinderuni dass es den ist allermeist­en eine Lernform, Kindern die so unheimlich ja an den Fragen, Spaß die macht, dort zuzuhören. besprochen Sie werden, sind interessie­rt – gerade auch die kleinen Kinder.

STANDARD: In den zwei Ferienmona­ten: Wann und wo sollen sich Schüler auf das kommende Schuljahr vorbereite­n? Schön: Die Hauptvorbe­reitung besteht darin, Abstand zu gewinnen und spannende Ferienerle­bnisse zu haben, mit anderen zusammen etwas zu unternehme­n. Extra Kurse zu besuchen, halte ich für sehr übertriebe­n. Die Kinderuni ist etwas anderes, das ist im engeren Sinne keine Vorbereitu­ng auf das nächste Schuljahr.

STANDARD: Wie alt sind die Kinder, die Ihre Vorlesung besuchen? Worauf gilt es da besonders zu achten? Schön: Bei meiner Vorlesung zum Fliegen von großen, schweren Flugzeugen sind Kinder ab dem sechsten Lebensjahr sehr willkommen. Die sind hochmotivi­ert! Die Frage nämlich, warum Flugzeuge fliegen können, ist immer ein Favorit nicht nur in dieser Altersgrup­pe, – nur kommt das Thema im Physikunte­rricht nicht vor.

STANDARD: Physikunte­rricht für Sechsjähri­ge?

Schön: Ja, Physik sollte Teil des Sachunterr­ichts sein. Später verliert sich der Physikunte­rricht bald in Formeln und Messungen – so die Wahrnehmun­g der Schülerinn­en und Schüler – und entfernt sich so von der Alltagswir­klichkeit. In der Kinderuni und in Schülerlab­oren versucht man hingegen, vom Konkreten auszugehen.

STANDARD: Wie kann das stärker in den Schulallta­g integriert werden? Schön: In den Zoo gehen, den botanische­n Garten oder das Planetariu­m besuchen – mehr Exkursione­n wären spannend. Für ältere Schülerinn­en und Schüler sollte es die Möglichkei­t geben, an der Uni eine einzelne Veranstalt­ung zu erleben, um ein bisschen näher an die Forschung ran zu kommen. Es gibt heute LehrLern-Labore an den Universitä­ten.

STANDARD: Auch an der Uni Wien?

Schön: Wir bauen unter der Federführu­ng der Biologie- und der Informatik-Didaktik ein LehrLern-Labor in der Althanstra­ße auf. Das wird eine tolle Möglichkei­t für Schulklass­en, naturwisse­nschaftlic­he Themen zu erleben. Es wird jetzt gerade mit den Umbaumaßna­hmen begonnen. Ich schätze, dass es im Frühjahr 2019 losgehen kann. Diese Lehr-Lern-Labore können sehr effektiv genutzt werden, vor allem sollen hier auch Lehramtsst­udierende mit den Schülern arbeiten und die Möglichkei­t haben, neue Ideen auszuprobi­eren.

STANDARD: Sie waren lange in der Lehrerbild­ung. Was braucht es zum guten Lehrer? Schön: Mir ist immer am wichtigste­n die Liebe zum Fach. Er muss ein überzeugte­r Anglist, sie überzeugte Naturwisse­nschafteri­n sein. Die Person muss lernen, wie man die Fachinhalt­e übersetzen kann für die Schüler, und ein Gespür dafür bekommen, wo und wann die Lernenden Verständni­sprobleme haben können. Man muss so weit in sein Fach eindringen, dass

man kann, es gewisserma­ßen wieder fast wie wie ein von Schüler außen. betrachten

STANDARD: Schön: Nicht Kommen nur. Es die müssen Richtigen? ja immer zwei Fächer ein Fach im Lehramt jenes, wofür studiert sie werden. begeistert Meistens sind. Das ist andere läuft mit.

STANDARD: überfracht­et. Es Stimmt heißt immer, das? die Lehrpläne sind Schön: Es ist tatsächlic­h zu viel. Ich bin ein Verfechter davon, etwas weniger, aber diese Dinge dann vertieft zu bearbeiten. Nicht an der Oberfläche zu bleiben. Ich bin überzeugt, dass auch eine 14-Jährige eine Idee davon bekommen kann, was in der Relativitä­tstheorie möglich ist. Das ist vermittelb­ar. Wenn wir aber bei dem klassische­n Kanon bleiben, haben wir keine Zeit, punktuell in die Tiefe zu gehen.

STANDARD: Tendenziel­l interessie­ren sich Mädchen weniger für Naturwisse­nschaften. Was tun? Schön: Wenn von konkreten, lebensnahe­n Problemen ausgehend Naturwisse­nschaft erklärt wird, dann sind Mädchen durchaus zu begeistern, das zeigen viele Studien. Ausgehend von einem konkreten Phänomen wie etwa dem Regenbogen, wenn man da schrittwei­se tiefer gräbt, da gehen die Mädchen eher mit. Biografisc­he Themen, wie sind die Wissenscha­fter überhaupt zu diesem Wissen gekommen, wo gab es Schwierigk­eiten – auch das interessie­rt sie mehr als das fertige Ergebnis.

STANDARD: Offenbar wird aber genau auf das „fertige Ergebnis“im Unterricht gesetzt? Schön: Ja, überwiegen­d. Wenn man am mathematis­chen Ende angekommen ist, dann sind die meisten Physiklehr­er zufrieden. Das ist schade.

STANDARD: Mancherort­s, etwa in Großbritan­nien, gibt es das Fach „Science“, wo Physik, Chemie und Biologie zusammenge­fasst werden. Eine gute Idee? Schön: Ich glaube, in den unteren Klassen sollte man mit Science anfangen. Im mittleren Alter ist es wahrschein­lich einfacher, die Brille eines Faches aufzusetze­n und sich Themen aus einer engeren Perspektiv­e anzuschaue­n. Und in der Oberstufe sollte dann wieder der Zusammenha­ng zwischen den verschiede­nen Naturwisse­nschaften in den Vordergrun­d treten. Da könnte Science wieder spannend sein.

STANDARD: So, zum Abschluss: Warum fliegen tonnenschw­ere Flugzeuge wirklich?

Schön: Tja! Also die tonnenschw­eren Flugzeuge. Die fliegen, weil sie durch die besondere Form der Flügel Luft während des Fliegens dauernd nach unten drücken und ablenken. Dadurch werden sie in der Höhe gehalten. Sie müssen dafür mit großer Geschwindi­gkeit fliegen. Das ist ein bisschen wie beim Wasserskil­äufer. Der geht auch nicht unter. Warum? Weil er mit viel Geschwindi­gkeit immer Wasser nach unten und zur Seite drängt. Auch bei der Luft entstehen an den Flügelende­n riesige Wirbel, nur sieht man die nicht.

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 ?? Foto: Unit Wien/Barbara Mair ?? LUTZ-HELMUT SCHÖN, Jahrgang 1946, ist Professor für Didaktik der Naturwisse­nschaften und hält an der Wiener Kinderuni die Vorlesung „Warum können tonnenschw­ere Flugzeuge fliegen“.
Foto: Unit Wien/Barbara Mair LUTZ-HELMUT SCHÖN, Jahrgang 1946, ist Professor für Didaktik der Naturwisse­nschaften und hält an der Wiener Kinderuni die Vorlesung „Warum können tonnenschw­ere Flugzeuge fliegen“.

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