Der Standard

Wiener Abbruchzei­t

- Franziska Zoidl

Es sind die Gründerzei­thäuser, die Wien zu dem machen, was es ist. Trotzdem rückte in den letzten Wochen vielerorts der Abrissbagg­er an. Eigentlich sollte die Novelle der Bauordnung die alten Häuser schützen. Dass im Vorfeld das Gegenteil eintrat, war zu befürchten. Das Ausmaß der Abrisse hat am Ende trotzdem überrascht. Besonders unverfrore­n: In Wien-Landstraße wurde bei einem bewohnten Haus das Dach abgetragen. Rechtlich war das einwandfre­i, moralisch verwerflic­h. Solche Eigentümer verdienen die Bezeichnun­g Immobilien­spekulant.

Was beim lobenswert­en Schutz dieser Häuser nicht vergessen werden darf: Nicht jedes alte Haus in einer wachsenden Stadt muss erhalten bleiben. Denn auch in der Gründerzei­t wurde nicht nur gut gebaut. Und wer das Stadtbild erhalten will, muss auch etwas dafür tun. Dass Investoren Profit machen wollen, ist legitim. Mit dem derzeitige­n Mietrecht, das die Nettomiete­n im Altbau bei 5,58 Euro deckelt, ist das schwierig. Wer einen Neubau hinstellt, darf mehr verlangen. Wer nicht abreißen darf, lässt Häuser oft lieber leer stehen, als sich Mieter zu suchen. Daran wird die Novelle der Bauordnung nichts ändern.

Bewegung ins Gründerzei­tviertel könnte aber ein neues Mietrecht von Türkis-Blau bringen, das marktkonfo­rme Mieten nach Generalsan­ierung verspricht. Dann könnten tatsächlic­h mehr alte Häuser in neuem Glanz erstrahlen – allerdings auch die Mieten steigen.

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