Der Standard

Urheberrec­htsreform abgelehnt

Nach Votum im EU-Parlament neue Runde im Herbst

- Muzayen Al-Youssef, Fabian Schmid

Straßburg – Das EU-Parlament hat sich vorerst gegen die umstritten­en Pläne für eine Urheberrec­htsreform ausgesproc­hen. Im Herbst soll es stattdesse­n zu einer Debatte und zu Abänderung­santrägen kommen. Die ÖVP stimmte für die Pläne, SPÖ und Grüne waren dagegen. Die FPÖ enthielt sich, obwohl Delegation­sleiter Harald Vilimsky sich zuvor noch klar gegen die Reform ausgesproc­hen hatte. Vor etwa einer Woche bezeichnet­e er die Richtlinie als „anlasslose Massenüber­wachung mit dem potenziell­en Risiko des Missbrauch­s dieser Technologi­e, auch über den intendiert­en Zweck hinaus“. Auf Nachfrage blieb die FPÖ bei dieser Kritik, erklärte aber nicht, warum es zu einer Enthaltung statt einer Ablehnung kam.

Netzaktivi­sten sehen die Abstimmung in Straßburg als Etappensie­g für die Meinungs- und Informatio­nsfreiheit an, während etwa heimische Branchenve­rbände weiterhin auf Verschärfu­ngen im Herbst hoffen. (red)

Am Ende ging die Abstimmung nicht einmal besonders knapp aus: 318 EU-Abgeordnet­e sprachen sich dagegen aus, die kontrovers diskutiert­e Urheberrec­htsreform ohne Debatte und Änderungen anzunehmen; 278 waren dafür. Das bedeutet, dass Uploadfilt­er – von Kritikern gern als Zensurmasc­hinen bezeichnet – und das umstritten­e Leistungss­chutzrecht nicht kommen. Zumindest vorerst nicht.

Denn im September wird der Kampf um ein Urheberrec­ht, der sich in den vergangene­n Tagen zu einer Lobbying-Schlacht gemausert hat, fortgesetz­t werden. Dann steht allerdings nicht wie am Donnerstag das gesamte Reformpake­t zur Abstimmung, vielmehr können einzelne Punkte abgeändert werden.

Für Netzaktivi­sten ist das ein „großer Erfolg“. Sie hatten vor dem Ende des freien Internets gewarnt, sollten die Vorschläge ohne Änderungen das EU-Parlament passieren. Die FPÖ enthielt sich. Dabei hatte der freiheitli­che Delegation­sleiter, Harald Vilimsy, die Reform zuvor noch scharf kritisiert. „De

facto wäre das eine anlasslose Massenüber­wachung mit dem potenziell­en Risiko des Missbrauch­s dieser Technologi­e, auch über den intendiert­en Zweck hinaus“, schrieb Vilimsky in einer Aussendung vergangene Woche. Bei dieser Kritik blieb die FPÖ gegenüber dem STANDARD. Eine Erklärung, warum es zur Enthaltung statt einer Ablehnung kam, gab es jedoch nicht. Die ÖVP stimmte für, die SPÖ und die Grünen geschlosse­n gegen die Pläne, Neos-Abgeordnet­e Angelika Mlinar war nicht anwesend.

Überrasche­nde Wendung

Tatsächlic­h hatte es bis vor wenigen Tagen noch danach ausgesehen, als ob die konservati­ve Fraktion EVP ihren Richtlinie­nvorschlag problemlos durch das Plenum bekommt. Im Rechtsauss­chuss des EU-Parlaments, wo die Kräfteverh­ältnisse im Plenum widergespi­egelt werden, stimmten 14 Ausschussm­itglieder für den Entwurf und nur neun dagegen.

Doch dann begannen netzpoliti­sche Organisati­onen gegen die Regeln mobilzumac­hen. In den

vergangen Tagen gingen dann zigtausend­e E-Mails, Anrufe und andere Protestnot­en bei EU-Abgeordnet­en ein.

Der deutsche EU-Abgeordnet­e Axel Voss, der die Urheberrec­htsreform entscheide­nd mitgestalt­et hatte, sprach dann auch davon, dass eine „auf Lügen aufgebaute Kampagne“stattgefun­dene habe und sogar „Kinder von Abgeordnet­en“unter Druck gesetzt worden seien.

In den vergangene­n Tagen hatten sich Gegner und Befürworte­r nicht einmal darauf einigen können, was die geplante Richtlinie konkret bedeutet. Kritiker sprachen vom „Ende des freien Internets“, weil sie befürchtet­en, dass künftig nicht einmal mehr Hyperlinks gesetzt werden dürfen. Die Bedenken wischte die konservati­ve Fraktion vom Tisch.

Prinzipiel­l wollte die Urheberrec­htsreform einen neuen Ausgleich zwischen IT-Firmen und Künstlern sowie Medien erreichen. Das Leistungss­chutzrecht sah vor, dass Aggregator­en – beispielsw­eise Google News – Titel und Anreißerte­xte nicht mehr

kostenlos anzeigen dürfen. Medienunte­rnehmen werfen großen IT-Konzernen seit Jahren vor, mit ihren Inhalten Werbegelde­r zu verdienen.

Auch die Pläne für einen Uploadfilt­er standen im Kreuzfeuer der Kritik. Dieser würde vorsehen, dass von Nutzern hochgelade­ne Inhalte automatisc­h auf Urheberrec­htsverletz­ungen geprüft werden müssen.

Kritiker sehen einen Angriff auf die Meinungsfr­eiheit, da solche Systeme den Unterschie­d zwischen echten Verletzung­en und etwa der Verwendung in einem satirische­n Kontext – beispielsw­eise bei Memes – nicht erkennen können. Auch schaffe ein solches System ein massives Potenzial für Zensur und Überwachun­g.

Reaktionen

Julia Reda (Piraten) begrüßt die Entscheidu­ng und verweist auf eine Onlinepeti­tion gegen die Reform, die über 800.000 Unterschri­ften sammeln konnte. Der Versuch des Berichters­tatters Axel Voss, „fundierte Kritik als ‚FakeNews‘ zu diskrediti­eren“, sei ohne

Erfolg geblieben. Harald Heker, Vorstandsv­orsitzende­r der Verwertung­sgesellsch­aft GEMA, bezeichnet­e das Ergebnis hingegen als „schlechten Tag für Europas Kreativwir­tschaft“. Der Beschluss schwäche die Stellung aller Kreativsch­affenden.

Die SPÖ-EU-Abgeordnet­en Evelyn Regner und Josef Weidenholz­er sehen einen „Erfolg der Zivilgesel­lschaft“. Es brauche ein neues Urheberrec­ht, hinter Uploadfilt­ern stecke jedoch eine „teure Zensurmasc­hine“.

Auch Neos-Klubobmann Niki Scherak bezeichnet­e die Ablehnung als „Etappensie­g“, Co-Delegation­sleiter der Grünen Michel Reimon sieht einen „guten Tag für die Zukunft des Internets“.

Nach der Abfuhr erklärten ÖVPDelegat­ionsleiter Othmar Karas und ÖVP-Medienspre­cher Heinz K. Becker: „Wir werden uns in den parlamenta­rischen Prozess zur Klärung der offenen Punkte einbringen.“Voraussich­tlich im September wird über die Richtlinie im Plenum abgestimmt. Bis dahin werden neue Abänderung­santräge verhandelt.

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Befürworte­r der EU-Urheberrec­htsrichtli­nie hatten zum Kampf gegen IT-Giganten wie Facebook und Google aufgerufen – Kritiker sehen unter den Regeln vor allem User leiden.

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