Urheberrechtsreform abgelehnt
Nach Votum im EU-Parlament neue Runde im Herbst
Straßburg – Das EU-Parlament hat sich vorerst gegen die umstrittenen Pläne für eine Urheberrechtsreform ausgesprochen. Im Herbst soll es stattdessen zu einer Debatte und zu Abänderungsanträgen kommen. Die ÖVP stimmte für die Pläne, SPÖ und Grüne waren dagegen. Die FPÖ enthielt sich, obwohl Delegationsleiter Harald Vilimsky sich zuvor noch klar gegen die Reform ausgesprochen hatte. Vor etwa einer Woche bezeichnete er die Richtlinie als „anlasslose Massenüberwachung mit dem potenziellen Risiko des Missbrauchs dieser Technologie, auch über den intendierten Zweck hinaus“. Auf Nachfrage blieb die FPÖ bei dieser Kritik, erklärte aber nicht, warum es zu einer Enthaltung statt einer Ablehnung kam.
Netzaktivisten sehen die Abstimmung in Straßburg als Etappensieg für die Meinungs- und Informationsfreiheit an, während etwa heimische Branchenverbände weiterhin auf Verschärfungen im Herbst hoffen. (red)
Am Ende ging die Abstimmung nicht einmal besonders knapp aus: 318 EU-Abgeordnete sprachen sich dagegen aus, die kontrovers diskutierte Urheberrechtsreform ohne Debatte und Änderungen anzunehmen; 278 waren dafür. Das bedeutet, dass Uploadfilter – von Kritikern gern als Zensurmaschinen bezeichnet – und das umstrittene Leistungsschutzrecht nicht kommen. Zumindest vorerst nicht.
Denn im September wird der Kampf um ein Urheberrecht, der sich in den vergangenen Tagen zu einer Lobbying-Schlacht gemausert hat, fortgesetzt werden. Dann steht allerdings nicht wie am Donnerstag das gesamte Reformpaket zur Abstimmung, vielmehr können einzelne Punkte abgeändert werden.
Für Netzaktivisten ist das ein „großer Erfolg“. Sie hatten vor dem Ende des freien Internets gewarnt, sollten die Vorschläge ohne Änderungen das EU-Parlament passieren. Die FPÖ enthielt sich. Dabei hatte der freiheitliche Delegationsleiter, Harald Vilimsy, die Reform zuvor noch scharf kritisiert. „De
facto wäre das eine anlasslose Massenüberwachung mit dem potenziellen Risiko des Missbrauchs dieser Technologie, auch über den intendierten Zweck hinaus“, schrieb Vilimsky in einer Aussendung vergangene Woche. Bei dieser Kritik blieb die FPÖ gegenüber dem STANDARD. Eine Erklärung, warum es zur Enthaltung statt einer Ablehnung kam, gab es jedoch nicht. Die ÖVP stimmte für, die SPÖ und die Grünen geschlossen gegen die Pläne, Neos-Abgeordnete Angelika Mlinar war nicht anwesend.
Überraschende Wendung
Tatsächlich hatte es bis vor wenigen Tagen noch danach ausgesehen, als ob die konservative Fraktion EVP ihren Richtlinienvorschlag problemlos durch das Plenum bekommt. Im Rechtsausschuss des EU-Parlaments, wo die Kräfteverhältnisse im Plenum widergespiegelt werden, stimmten 14 Ausschussmitglieder für den Entwurf und nur neun dagegen.
Doch dann begannen netzpolitische Organisationen gegen die Regeln mobilzumachen. In den
vergangen Tagen gingen dann zigtausende E-Mails, Anrufe und andere Protestnoten bei EU-Abgeordneten ein.
Der deutsche EU-Abgeordnete Axel Voss, der die Urheberrechtsreform entscheidend mitgestaltet hatte, sprach dann auch davon, dass eine „auf Lügen aufgebaute Kampagne“stattgefundene habe und sogar „Kinder von Abgeordneten“unter Druck gesetzt worden seien.
In den vergangenen Tagen hatten sich Gegner und Befürworter nicht einmal darauf einigen können, was die geplante Richtlinie konkret bedeutet. Kritiker sprachen vom „Ende des freien Internets“, weil sie befürchteten, dass künftig nicht einmal mehr Hyperlinks gesetzt werden dürfen. Die Bedenken wischte die konservative Fraktion vom Tisch.
Prinzipiell wollte die Urheberrechtsreform einen neuen Ausgleich zwischen IT-Firmen und Künstlern sowie Medien erreichen. Das Leistungsschutzrecht sah vor, dass Aggregatoren – beispielsweise Google News – Titel und Anreißertexte nicht mehr
kostenlos anzeigen dürfen. Medienunternehmen werfen großen IT-Konzernen seit Jahren vor, mit ihren Inhalten Werbegelder zu verdienen.
Auch die Pläne für einen Uploadfilter standen im Kreuzfeuer der Kritik. Dieser würde vorsehen, dass von Nutzern hochgeladene Inhalte automatisch auf Urheberrechtsverletzungen geprüft werden müssen.
Kritiker sehen einen Angriff auf die Meinungsfreiheit, da solche Systeme den Unterschied zwischen echten Verletzungen und etwa der Verwendung in einem satirischen Kontext – beispielsweise bei Memes – nicht erkennen können. Auch schaffe ein solches System ein massives Potenzial für Zensur und Überwachung.
Reaktionen
Julia Reda (Piraten) begrüßt die Entscheidung und verweist auf eine Onlinepetition gegen die Reform, die über 800.000 Unterschriften sammeln konnte. Der Versuch des Berichterstatters Axel Voss, „fundierte Kritik als ‚FakeNews‘ zu diskreditieren“, sei ohne
Erfolg geblieben. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der Verwertungsgesellschaft GEMA, bezeichnete das Ergebnis hingegen als „schlechten Tag für Europas Kreativwirtschaft“. Der Beschluss schwäche die Stellung aller Kreativschaffenden.
Die SPÖ-EU-Abgeordneten Evelyn Regner und Josef Weidenholzer sehen einen „Erfolg der Zivilgesellschaft“. Es brauche ein neues Urheberrecht, hinter Uploadfiltern stecke jedoch eine „teure Zensurmaschine“.
Auch Neos-Klubobmann Niki Scherak bezeichnete die Ablehnung als „Etappensieg“, Co-Delegationsleiter der Grünen Michel Reimon sieht einen „guten Tag für die Zukunft des Internets“.
Nach der Abfuhr erklärten ÖVPDelegationsleiter Othmar Karas und ÖVP-Mediensprecher Heinz K. Becker: „Wir werden uns in den parlamentarischen Prozess zur Klärung der offenen Punkte einbringen.“Voraussichtlich im September wird über die Richtlinie im Plenum abgestimmt. Bis dahin werden neue Abänderungsanträge verhandelt.