Der Standard

Großbritan­nien fordert Aufklärung von Russland

Neuerliche Nowitschok­vergiftung in Salisbury belastet das bilaterale Verhältnis

- Sebastian Borger aus London

Die Vergiftung eines britischen Paares durch den Kampfstoff Nowitschok droht die ohnehin angespannt­en britisch-russischen Beziehunge­n weiter zu belasten. Innenminis­ter Sajid Javid wollte am Donnerstag dem Londoner Unterhaus über die Ermittlung­en in Salisbury berichten. Staatssekr­etär Ben Wallace verwies auf den Mordanschl­ag gegen den Doppelagen­ten Sergej Skripal und forderte Aufklärung aus Moskau: „Russland könnte alle unsere Wissenslüc­ken beseitigen.“

Laut der mehr als 100-köpfigen Scotland Yard-Sonderkomm­ission waren Dawn Sturgess (44) und Charlie Rowley (45) am vergangene­n Freitag im südenglisc­hen Salisbury unterwegs. Nach Einkäufen machten sie in den Queen Elizabeth Gardens Pause, die Nacht verbrachte­n sie im nahen Amesbury. Dort wurde am Samstagmor­gen Sturgess so krank, dass ihr Partner den Notarzt rief. Am Nachmittag veränderte sich auch Rowleys Zustand. Die Ärzte im Spital von Salisbury vermuteten zunächst Drogenkons­um. Doch Tests im Labor von Porton Down ergaben: Die in Lebensgefa­hr schwebende­n Patienten leiden an einer Nowitschok­vergiftung.

Salisbury wird durchkämmt

Damit ist Großbritan­nien bereits zum zweiten Mal mit dem seltenen Kampfstoff konfrontie­rt, der in den 1980er-Jahren in sowjetisch­en Labors entwickelt wurde. Anfang März waren in Salisbury der von Großbritan­nien aus russischer Haft freigekauf­te Ex-Agent Skripal und seine Tochter Julia bewusstlos auf einer Parkbank gefunden worden, nur wenige Fuß- minuten von den Queen Elizabeth Gardens entfernt. In Salisbury und Amesbury sind nun diverse Geschäfte und Grünfläche­n geschlosse­n. Wissenscha­fter in Spezialanz­ügen nehmen Proben an den Stellen, die von den Opfern zuletzt besucht worden waren.

Bei Scotland Yard hieß es am Donnerstag, man ermittle in „alle Richtungen“. Britische Medien erörtern allerdings nicht einmal die Möglichkei­t, die Skripals und die neuen Opfer könnten von anderen als russischen Agenten vergiftet worden sein. Deshalb gilt als wahrschein­lich, dass Reste des Giftes an einer der Stellen abgelegt wurden, die die beiden am Freitag besuchten. Experten zufolge verringert sich die Toxizität von Nowitschok nur langsam. Die Opfer könnten wenige Moleküle durch die Haut aufgenomme­n haben. p Langversio­n dSt.at/Grossbrita­nnien

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