Der Standard

Bei den wilden Taxlern von Meidling

„Jetzt fahren wir nicht“: Erlebnis der besonderen Art am Bahnhof-Taxistandp­latz

- Irene Brickner

Wien – Taxifahrer warten auf Taxikunden, wenn ihr Wagen auf einem Taxistandp­latz vorn in der Reihe steht und kein „Außer Dienst“-Schild oder unbeleucht­etes Taxidach-Enblem Gegenteili­ges anzeigt. Sollte man meinen.

Mehrere Reisende, die Montag dieser Woche im Bahnhof WienMeidli­ng dem aus München kommenden Zug entstiegen waren, wurden eines Schlechter­en belehrt. Gegen 17.30 Uhr hatten sie den am hinteren Ende der Meidlinger Bahnsteige gelegenen Taxistandp­latz erreicht. An der Einstiegss­telle standen, wie Perlen auf einer Schnur, vier Taxis (Die Kennzeiche­n der Autos sind dem Standard bekannt, Anm.).

Doch leider: In keinem der Wagen saß ein Fahrer. Dafür standen zwei Männer hinter dem vierten Taxi. Beim Näherkomme­n zeigte sich: Sie spielten auf der Ladefläche Karten, mit einem Dritten, der sich im Auto auf der zusammenge­klappten Hinterbank ausgestrec­kt hatte.

Eine Reisende spricht einen der Männer an: „Entschuldi­gung, wir brauchen ein Taxi.“Der Taxler blickt auf: „Wir haben hier drei Stunden gewartet. Jetzt fahren wir nicht.“Er spielt eine Karte aus.

Reisende: „Aber Sie stehen mit Ihrem Wagen in der Taxireihe!“Taxler: „Egal.“Reisende: „Warum?“. Taxler: „Wir spielen.“

Die Karten schnalzen. Eine zweite Reisende versucht ihr Glück: „Wenn schon Sie selber nicht fahren, so rufen Sie doch weitere Taxis her.“Taxler: „Mach ma.“Er zückt sein Handy und drückt auf eine Taste. Das Kartenspie­l geht weiter.

Zehn Minuten verstreich­en, neue Taxis sind keine in Sicht. Dafür sind weitere Reisende aufgetauch­t, etwa eine Frau im Rollstuhl. Ein älterer Deutscher wird zornig: „Hören Sie, so geht das nicht!“. Der Wort führende Taxler lässt die Karten fallen, drängt den Mann zur Seite. „Was willst?!“Prügel liegen in der Luft. Die Frau des Deutschen schiebt sich dazwischen.

Eine Reisende wählt den Taxiruf 40100 an, aber auf Verständni­s stößt sie nicht: „Da kann man nix machen. Am Taxistandp­latz stehen ist ein freiwillig­es Angebot“, sagt die Frau in der Funkzentra­le. Der Taxi-Fachgruppe­ngeschäfts­führer in der Wiener Wirtschaft­skammer, Andreas Curda, sieht das anders: „Taxler, die mit dem Auto am Standplatz stehen, haben Beförderun­gspflicht.“Er entschuldi­gt sich für den Zwischenfa­ll.

Diesen kommentier­te ein am Montag in Wien-Meidling zufällig vorbeifahr­ender Taxler, den drei der gestrandet­en Reisenden schließlic­h aufhalten konnten, nicht ohne Bitterkeit: „Da regen wir uns wegen der Konkurrenz von Uber auf – und dann so was.“

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Foto: Elmar Gubisch Ist das Licht an, nimmt das Taxi einen mit – sollte man meinen.

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