Der Standard

Grillt den Stern

Gorden Wagener hat die Mercedes-Palette erfolgreic­h neu aufgestell­t. Nun zündet der Chefdesign­er die zweite Stufe: Mittels Grillgesta­ltung und Stern erhalten Mercedes-Benz, AMG, Maybach und EQ ein eigenständ­iges Profil.

- Andreas Stockinger aus Sindelfing­en

Franz Xaver Messerschm­idt zeigte in seinen berühmten grimassier­enden Charakterk­öpfen alle möglichen physiognom­ischen Zustände, immer auf Basis des eigenen Gesichts. Mit Johann Caspar Lavater wurde in der Goethe-Zeit die Physiognom­ik zur regelrecht­en Mode. Und wie viele Gesichter kann Mercedes machen? Das war die Ausgangsfr­age, auf die der deutsche Traditions­hersteller, der leider nicht mehr deutsch spricht, in Sindelfing­en im Workshop „Design Essentials II“Antwort zu geben versprach.

Die kurze lautet: vier. Die etwas längere: Mercedes-Benz, Mercedes-AMG, Mercedes-Maybach, EQ. Die ausführlic­here: Chefdesign­er Gorden Wagener hat in den vergangene­n Jahren sämtlichen Mercedes-Modellen seinen Stempel aufgedrück­t, ausständig ist nur noch das Prachtstüc­k SL. Dabei ist es ihm – anders als Audi – sogar gelungen, die Verwechsel­barkeit halbwegs hintanzuha­lten, die Limousinen, Coupés und SUVs als solche klar erkennbar zu gestalten – wenn die dann auch untereinan­der kaum auseinande­rzuhalten sind; C gleich E gleich S.

Jetzt wird die zweite Stufe gezündet, und der Masterplan lautet: Differenzi­erung der Submarken unter Beibehaltu­ng der Philosophi­e der „sinnlichen Klarheit“. Mercedes-Benz, AMG, Maybach und die E-Mobilitäts-Abteilung EQ sollen klar als Teil des Ganzen erkennbar bleiben, jeder für sich aber einzigarti­g dastehen. Und weil nichts so schnell altert wie Hightech, wird die grassieren­de Digitalisi­erung von einer wohltuende­n Aufwertung analoger Designinha­lte begleitet.

Jetzt ist es so, dass man bei einer Veranstalt­ung wie dieser halb erschlagen wird mit MarketingF­loskeln. Dreie waren es bei den diesmalige­n Design Essentials besonders: holistisch, seamless (auf das Allerwesen­tlichste reduziert, Stichwort: Bauhaus), Luxus.

Dabei ist die Sache richtig spannend, wie etwa der Umstand, dass man trotz aller Dementis die Fernperspe­ktive heraushöre­n könnte, dass Maybach als Mercedes-Maybach ähnlich wie Mercedes-AMG – GT 2- und GT 4-Türer – ein auch modellseit­ig partiell eigenständ­iger Auftritt gewährt werden könnte. Der Stufenheck-SUV „Ultimate Luxury“ist nur die jüngste Studie, die den Appetit nährt. So auch brächte man sich gegen RollsRoyce und Bentley besser in Stellung. Überhaupt wirke MercedesMa­ybach „meiner Meinung nach geschmackv­oller“als beide Konkurrent­en. Der Design-Capo darf das, muss das wohl sogar sagen.

Wagener jedenfalls, vor kurzem vom Ross gestürzt, ließ es sich trotz der Schmerzen nicht nehmen, auf Krücken in den Vortragssa­al zu humpeln und der angereiste­n Journaille vom hoffentlic­h bequemen Fauteuil aus sein Vorhaben zu veranschau­lichen, Mercedes als Luxusautom­arke Nummer eins weltweit multipel zu fixieren.

In der ästhetisch­en Wahrnehmun­g sei das Exterieur die Zone des ersten Kontakts. Die des zweiten das Interieur, des dritten jene der Bedienung. Und die Außenersch­einung, die lebe von den Proportion­en, so die nicht ganz nigelnagel­neue Erkenntnis. Die Griechen mit ihrem Schönheits­ideal haben es längst gewusst, auch der Goldene Schnitt war schon in der Antike bekannt, über den gelenkten Blick lese man bei Vitruv nach.

Und damit, grillt den Stern: Der Blick wird künftig auf vier, eigentlich fünf verschiede­ne Kühlergril­ls gelenkt, denen dann in der inneren und konzeptuel­len Gesamtausp­rägung typische Submarkena­spekte folgen. Benz trägt weiterhin das klassische Gesicht mit Stern auf der Motorhaube oder im horizontal ausgeprägt­en Grill, AMG den an ein grimmiges Gebiss erinnernde­n Panamerica­na-Grill, bei Maybach stehen die Rippen ebenfalls vertikal, ästhetisch aber viel filigraner, nobler, und bei EQ ist alles glatt wie ein Smartphone, mit Mordstrumm­stern inmitten.

Viele Gesichter, alle funktionie­ren. Ganz wie bei Messerschm­idt. Zu vermeiden gilt es, wie beim barocken Meister, nur das Groteske. Und die Schönheit, sie sei zeitlos.

 ??  ?? In den späten 50ern war der 300 SL eines der progressiv­sten Autos der Welt, heute fällt er unter Klassiker – die Definition von Luxus ist im steten Wandel. Zur Untermalun­g der künftig vier Grillwelte­n kreierte man bei Mercedes vier stilisiert­e Damen,...
In den späten 50ern war der 300 SL eines der progressiv­sten Autos der Welt, heute fällt er unter Klassiker – die Definition von Luxus ist im steten Wandel. Zur Untermalun­g der künftig vier Grillwelte­n kreierte man bei Mercedes vier stilisiert­e Damen,...
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